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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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sein konnten, zeigte er eine so freundlich lächelnde Miene, als ob er sich mit seinem Bruder über irgendwelchen unwichtigen Gegenstand scherzend unterhielte.
     
    »Ja, ich habe deinen Zettel erhalten und begreife wirklich nicht, worüber du, gerade du, dir Sorge machst«, antwortete Alexei.
     
    »Ich mache mir darüber Sorge, daß man mir soeben, wie etwas Bemerkenswertes, mitgeteilt hat, du seiest noch nicht hier, und man habe dich am Montag in Peterhof gesehen.«
     
    »Es gibt Angelegenheiten, die nur der Beurteilung der unmittelbar Beteiligten unterliegen, und die Angelegenheit, um die du dir solche Sorge machst, ist von der Art.«
     
    »Ja, aber dann darf man nicht Offizier oder Beamter sein und nicht ...«
     
    »Ich bitte dich, mische dich nicht in meine Angelegenheiten. Damit ist die Sache erledigt.«
     
    Alexei Wronskis finsteres Gesicht war blaß geworden, und sein vorstehender Unterkiefer bebte, was bei ihm nur selten vorkam. Als sehr gutherziger Mensch wurde er selten zornig; aber wenn er es einmal wurde und sein Kinn zu zittern begann, dann war er gefährlich, und das wußte auch Alexander Wronski. Aber dieser lächelte heiter.
     
    »Ich hatte dir ja nur den Brief unserer Mutter übermitteln wollen. Antworte ihr und rege dich jetzt vor dem Reiten nicht auf! Bonne chance!« fügte er lächelnd hinzu und ging von ihm weg.
     
    Aber unmittelbar darauf wurde Wronski wieder durch eine freundschaftliche Anrede aufgehalten.
     
    »Du willst wohl deine Freunde nicht kennen? Guten Tag, mon cher!« rief Stepan Arkadjewitsch, der auch hier, mitten in all dieser Petersburger Pracht und Vornehmheit, nicht minder als in Moskau durch seine frische Gesichtsfarbe und seinen glänzenden, auseinandergekämmten Backenbart auffiel. »Ich bin gestern angekommen und freue mich sehr, deinen Triumph mit anzusehen. Wann treffen wir uns?«
     
    »Komm morgen in unser Kasino!« erwiderte Wronski, drückte ihm mit ein paar entschuldigenden Worten den Mantelärmel und ging in die Mitte der Rennbahn, wohin bereits die Pferde für das große Hindernisrennen geführt wurden.
     
    Die schweißbedeckten, abgematteten Pferde, die soeben gelaufen waren, wurden von Stallknechten in den Stall geführt, und eines nach dem anderen er schienen die neuen, frischen Pferde für das bevorstehende Rennen. Sie waren größtenteils englischer Herkunft. In ihren Kappen und mit den eingezogenen Bäuchen sahen sie seltsamen, riesigen Vögeln ähnlich. Rechts wurde die schmächtige, schöne Frou-Frou herbeigeführt, die auf ihren elastischen, ziemlich langen Fesseln wie auf Sprungfedern einherschritt. Nicht weit von ihr wurde gerade dem großohrigen Gladiator die Decke abgenommen. Die mächtigen, schönen, völlig regelmäßigen Formen des Hengstes mit dem wundervollen Hinterteil und den ungewöhnlich kurzen, unmittelbar über den Hufen sitzenden Fesseln zogen unwillkürlich Wronskis Aufmerksamkeit auf sich. Er wollte soeben an sein eigenes Pferd herantreten, da hielt ihn wieder ein Bekannter auf.
     
    »Da ist ja auch Karenin«, sagte der Bekannte, nachdem sie einige Worte gewechselt hatten. »Er sucht seine Frau; sie sitzt aber in der Mitte der Loge. Haben Sie sie nicht gesehen?«
     
    »Nein, ich habe sie nicht gesehen«, antwortete Wronski und ging zu seinem Pferde, ohne auch nur nach der Stelle hinzusehen, wohin, als nach Annas Platz, der andere gewiesen hatte.
     
    Kaum hatte Wronski den Sattel besichtigt, über den er noch eine Anordnung geben mußte, als schon die Reiter zur Loge gerufen wurden, um ihre Nummern zu ziehen und zum Start abgefertigt zu werden. Mit ernsten, strengen, zum Teil sogar mit bleichen Gesichtern versammelten sich die Offiziere, siebzehn an der Zahl, bei der Loge und zogen ihre Nummern. Wronski erhielt Nummer sieben. Dann erscholl der Ruf: »Aufsitzen!«
     
    Wronski war sich bewußt, daß er und die anderen Reiter jetzt den Mittelpunkt bildeten, auf den alle Blicke gerichtet waren, und in einem Zustande seelischer Spannung, in dem er gewöhnlich besonders langsam und ruhig in seinen Bewegungen wurde, trat er an sein Pferd heran. Cord hatte, um den Glanz des Rennens zu erhöhen, seinen Paradeanzug angelegt: schwarzen, zugeknöpften Oberrock, steif gestärkten Kragen, bis an die Backen reichend, runden, schwarzen Hut und Stulpstiefel. Er war wie immer ruhig und würdevoll und hielt selbst das Pferd, davorstehend, an beiden Zügeln. Frou-Frou zitterte immer noch wie im Fieber. Ihr blitzendes Auge schielte nach dem

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