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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Wassergraben übrig. Wronski blickte nicht einmal danach hin; aber in dem Wunsche, mit einem erheblichen Vorsprunge Erster zu werden, begann er mit den Zügeln kreisförmig zu arbeiten, indem er im Takte der Sätze den Kopf des Pferdes hob und senkte. Er fühlte, daß Frou-Frou den Lauf aus ihrem letzten Kräftevorrat bestritt; nicht nur ihr Hals und ihre Schultern waren naß, sondern auch am Widerrist, am Kopfe und an den spitzen Ohren saßen dicke Schweißtropfen, und sie atmete scharf und kurz. Aber er wußte, daß dieser Kräftevorrat für die noch übrigen vierhundert Meter völlig ausreichte. Nur daran, daß er sich dem Erdboden näher fühlte, und an der besonderen Weichheit der Bewegung merkte Wronski, wie sehr die Stute ihre Geschwindigkeit gesteigert hatte. Den Graben überflog sie, als ob sie ihn gar nicht bemerkte. Sie flog darüber hin wie ein Vogel; aber im selben Augenblicke fühlte Wronski zu seinem Schrecken, daß er sich der Bewegung des Pferdes nicht angepaßt, sondern – er wußte selbst nicht, wie es zugegangen war – eine abscheulich ungeschickte, unverzeihliche Bewegung gemacht, sich in den Sattel hatte zurückfallen lassen. Plötzlich änderte sich die Lage seines Körpers, und er begriff, daß sich etwas Furchtbares ereignet hatte. Er war noch nicht imstande, sich über das Geschehene klare Rechenschaft zu geben, als bereits dicht neben ihm die weißen Füße des Fuchshengstes auftauchten und Machotin in schnellem Galopp vorbeiflog. Wronski berührte mit dem einen Fuß die Erde, und sein Pferd sank über diesen Fuß nieder. Kaum hatte er Zeit gehabt, den Fuß herauszuziehen, als Frou-Frou auch schon auf eine Seite fiel, schwer röchelte und mit ihrem feinen, schweißbedeckten Halse vergebliche Anstrengungen machte, sich aufzurichten; sie schlug auf der Erde zu seinen Füßen um sich wie ein angeschossener Vogel. Durch seine ungeschickte Bewegung hatte Wronski ihr das Rückgrat gebrochen. Aber zum Verständnis dieses Herganges kam er erst weit später. Jetzt sah er nur, daß Machotin sich schnell entfernte, er selbst aber taumelnd, allein, auf der schmutzigen, unbeweglichen Erde dastand und vor ihm, schwer atmend, Frou-Frou lag und, den Kopf zu ihm hin drehend, ihn mit ihrem wundervollen Auge ansah. Immer noch ohne Verständnis des Geschehenen, riß Wronski die Stute am Zügel. Von neuem machte sie mit dem ganze Leibe krampfhafte Bewegungen wie ein Fisch, so daß die Sattelflügel knarrten; die Vorderfüße bekam sie frei; aber nicht imstande, das Hinterteil in die Höhe zu heben, kam sie sofort ins Schwanken und fiel wieder auf die Seite. Das Gesicht von Leidenschaft ganz entstellt, bleich und mit zitterndem Unterkiefer, stieß Wronski sie mit dem Stiefelabsatz gegen den Leib und begann von neuem am Zügel zu zerren. Aber sie bewegte sich nicht, drückte die Nase gegen die Erde und sah nur mit ihrem sprechenden Blicke ihren Herrn an.
     
    »Aaah!« kam es bei Wronski wie ein Gebrüll heraus, und er griff sich an den Kopf. »Aaah! Was habe ich getan!« schrie er. »Und das Rennen habe ich verloren! Und es ist meine Schuld, meine eigene, schmähliche, unverzeihliche Schuld! Und dieses unglückliche, liebe, zugrunde gerichtete Pferd! Aaah! Was habe ich getan!«
     
    Eine Menge Zuschauer, auch ein Arzt und ein Heilgehilfe sowie viele Offiziere seines Regiments kamen herbeigelaufen. Zu seinem Unglück fühlte er, daß er heil und unverletzt war. Das Pferd hatte sich den Rücken gebrochen und mußte erschossen werden. Wronski war nicht imstande, auf Fragen zu antworten und konnte mit niemandem sprechen. Er wandte sich ab, und ohne seine Mütze aufzuheben, die ihm vom Kopfe gefallen war, ging er aus der Rennbahn weg, er wußte selbst nicht, wohin. Er fühlte sich grenzenlos unglücklich. Zum ersten Male in seinem Leben hatte er ein schweres, schweres Unglück durchzumachen, ein nicht wiedergutzumachendes Unglück und ein Unglück, an dem er selbst schuld war.
     
    Jaschwin holte ihn mit der Mütze ein, begleitete ihn nach Hause, und nach einer halben Stunde erlangte Wronski seine Fassung wieder. Aber die Erinnerung an dieses Rennen blieb lange in seiner Seele die drückendste und quälendste seines Lebens.
     

26
     
    A lexei Alexandrowitschs äußeres Verhältnis zu seiner Frau war dasselbe geblieben wie vorher. Der einzige Unterschied bestand darin, daß er durch seine amtliche Tätigkeit noch stärker in Anspruch genommen war als früher. Wie in den vorhergehenden Jahren war er auch diesmal

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