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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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herantretenden Wronski hin. Wronski steckte einen Finger unter den Sattelgurt. Das Pferd schielte noch stärker, entblößte die Zähne und legte das eine Ohr an. Der Engländer verzog seinen Mund, um ein Lächeln darüber zu zeigen, daß eine von ihm ausgeführte Sattelung erst noch nachgesehen werde.
     
    »Sitzen Sie auf; Sie werden dann weniger aufgeregt sein.«
     
    Wronski sah sich zum letzten Male nach seinen Gegnern um. Er wußte, daß er sie während des Reitens selbst nicht mehr sehen werde. Zwei von ihnen waren schon zum Startplatz vorausgeritten. Wronskis Freund Galzin, ein gefährlicher Gegner, bewegte sich im Kreise um seinen braunen Hengst herum, der ihn nicht aufsitzen ließ. Dort galoppierte ein kleiner Leibhusar in engen Reithosen, wie eine Katze zusammengekrümmt auf der Kruppe sitzend, die Engländer nachahmend. Fürst Kusowlew saß ganz blaß auf seiner Vollblutstute aus dem Grabower Gestüt, die ein Engländer am Zaume führte. Wronski und alle seine Kameraden kannten Kusowlew und seine Besonderheiten: seine »schwachen Nerven« und seinen ungeheueren Ehrgeiz. Sie wußten, daß er sich vor allem möglichen fürchtete, daß er sich davor fürchtete, ein gewöhnliches Dienstpferd zu reiten; aber jetzt, gerade weil es wirklich gefährlich war, gerade weil sich die Leute dabei die Hälse brachen und bei jedem Hindernisse ein Arzt, ein Krankenwagen mit aufgenähtem Kreuz und eine Barmherzige Schwester standen, jetzt hatte er sich entschlossen, das Rennen mitzureiten. Ihre Blicke trafen sich, und Wronski nickte ihm freundlich und beifällig zu. Nur einen sah er nicht: seinen Hauptgegner Machotin auf dem Gladiator.
     
    »Überhasten Sie sich nicht beim Reiten«, sagte Cord zu Wronski, »und beobachten Sie eines: Halten Sie sie bei den Hindernissen nicht zurück und treiben Sie sie nicht an; lassen Sie ihr freie Wahl, es zu machen, wie sie will.«
     
    »Schön, schön«, antwortete Wronski und faßte die Zügel.
     
    »Wenn es möglich ist, so nehmen Sie die Führung; aber geben Sie bis zum letzten Augenblicke nicht die Hoffnung auf, selbst wenn Sie hinten sein sollten.«
     
    Das Pferd hatte keine Zeit, sich wegzudrehen, als Wronski schon mit einer gewandten, energischen Bewegung in den stählernen, gezähnten Steigbügel trat und leicht, aber fest seinen kräftigen Körper auf das knarrende Leder des Sattels gleiten ließ. Während er den rechten Fuß in den Steigbügel steckte, ordnete er mit den ihm geläufigen Griffen die doppelten Zügel zwischen den Fingern, und Cord zog die Hände zurück. Als ob sie nicht recht wüßte, mit welchem Fuße sie zuerst auftreten solle, setzte sich Frou-Frou, mit ihrem langen Halse die Zügel ausziehend, wie auf Sprungfedern in Bewegung und schaukelte den Reiter auf ihrem geschmeidigen Rücken. Cord folgte ihnen in beschleunigtem Gange. Das aufgeregte Pferd versuchte bald auf der einen, bald auf der anderen Seite den Reiter zu täuschen und den Zügel noch weiter auszuziehen, und Wronski bemühte sich vergeblich mit Stimme und Hand, es zu beruhigen.
     
    Sie waren auf ihrem Wege zum Start bereits zu dem aufgestauten Flüßchen gelangt. Einige von den Reitern waren Wronski voraus, die übrigen waren hinter ihm zurück, als er plötzlich hinter sich auf dem schmutzigen Wege das Geräusch eines galoppierenden Pferdes hörte und ihn Machotin auf seinem weißfüßigen, großohrigen Gladiator überholte. Machotin lächelte, so daß seine langen Zähne sichtbar wurden; aber Wronski warf ihm einen grimmigen Blick zu. Er konnte den Menschen überhaupt nicht leiden, hielt ihn jetzt für seinen gefährlichsten Gegner und ärgerte sich über ihn, weil er an ihm vorbeigaloppierte und ihm dadurch seine Frou-Frou in Aufregung versetzte. Diese warf den linken Fuß zum Galopp in die Höhe, machte zwei Sprünge und ging, unwillig über die straff angezogenen Zügel, in einen stoßenden Trab über, der den Reiter fortwährend in die Höhe warf. Auch Cord machte ein finsteres Gesicht und lief fast im Trabe hinter Wronski her.
     

25
     
    E s beteiligten sich an dem Rennen im ganzen siebzehn Offiziere. Das Rennen sollte auf der großen, vier Werst langen, elliptischen Bahn vor der Tribüne vor sich gehen. Auf dieser Bahn waren neun Hindernisse angebracht: das Flüßchen, eine große, anderthalb Meter hohe, feste Hürde unmittelbar vor der Tribüne, ein trockener Graben, ein Wassergraben, ein doppelter Abhang, ein irischer Wall, der eines der schwierigsten Hindernisse war, bestehend

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