Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
von ihm blieben. Gladiator hob sich in die Höhe, sprang, ohne anzuschlagen, schwenkte den kurzen Schweif und entschwand Wronskis Blicken.
»Bravo!« rief eine Stimme.
In demselben Augenblick tauchten vor Wronskis Augen, unmittelbar vor ihm, die Bretter der Hürde auf. Ohne die geringste Veränderung seiner Bewegung hob sich das Pferd unter seinem Reiter in die Höhe, die Bretter verschwanden, und nur hinter sich hörte Wronski etwas anschlagen. Aufgeregt durch den voransprengenden Gladiator, hatte sich das Pferd vor der Hürde zu früh gehoben und mit einem Hinterfuße dagegen geschlagen. Aber sein Tempo änderte sich nicht, und Wronski, der ein Schmutzklümpchen ins Gesicht bekommen hatte, nahm wahr, daß er sich wieder in derselben Entfernung von Gladiator befand. Er sah wieder dessen Kruppe und kurzen Schweif vor sich, wieder dieselben sich nicht entfernenden, in schneller Bewegung begriffenen weißen Füße.
In demselben Augenblicke, als Wronski dachte, daß es jetzt an der Zeit sein dürfte, Machotin zu überholen, beschleunigte Frou-Frou von selbst, als ob sie seine Gedanken erraten hätte, ohne jede Aufmunterung ihren Lauf erheblich und begann sich Machotin zu nähern, und zwar von der vorteilhaftesten Seite, von der Strickseite. Aber Machotin gab die Strickseite nicht frei. Kaum regte sich bei Wronski der Gedanke, daß es möglich wäre, ihn auch auf der Außenseite zu überholen, als Frou-Frou auch schon den Fuß wechselte und das Überholen gerade auf diese Weise versuchte. Frou-Frous Schulter, die schon vom Schweiße eine dunklere Färbung annahm, kam in gleiche Linie mit Gladiators Kruppe. Einige Sprünge liefen sie nebeneinanderher. Aber vor dem Hindernis, dem sie sich jetzt näherten, begann Wronski, um nicht einen großen Kreis beschreiben zu müssen, mit den Zügeln zu arbeiten und überholte Machotin schnell gerade auf dem Doppelabhang. Er sah für einen Augenblick dessen von Schmutz bespritztes Gesicht. Es kam ihm sogar vor, als ob er lächle. Wronski hatte Machotin überholt; aber er fühlte ihn sofort hinter sich und hörte unaufhörlich nahe hinter seinem Rücken den gleichmäßigen Galopp und die noch ganz frisch klingenden Atemstöße Gladiators.
Die beiden folgenden Hindernisse, der Graben und die Hürde, wurden mit Leichtigkeit genommen; aber Wronski hörte das Schnauben und die Sätze Gladiators aus noch größerer Nähe. Er trieb sein Pferd an und spürte mit Freude, daß es ohne Mühe seinen Lauf beschleunigte und der Schall der Hufschläge Gladiators wieder aus der früheren Entfernung kam.
Wronski führte das Rennen, genau wie es seine Absicht gewesen war und wie es ihm Cord geraten hatte, und jetzt fühlte er sich seines Erfolges sicher. Seine Erregung, seine Freude und seine Zärtlichkeit für Frou-Frou wuchsen immer mehr. Gern hätte er sich umgesehen; aber er wagte nicht, dies zu tun, und war darauf bedacht, seine Ruhe wiederzugewinnen und das Pferd nicht anzutreiben, um ihm einen ebenso großen Vorrat an Kraft zu erhalten, wie ihn nach seiner Überzeugung Gladiator noch besaß. Es blieb noch ein besonders schwieriges Hindernis übrig; nahm er dieses früher als die anderen, so kam er als erster ans Ziel. Er jagte dem irischen Walle zu. Gleichzeitig mit Frou-Frou erblickte er diesen Wall schon von fern, und im selben Augenblick stieg in ihnen beiden, in ihm und dem Pferde, ein kurzer Zweifel auf. Er merkte an den Ohren des Pferdes eine gewisse Unentschlossenheit und hob die Peitsche, fühlte aber sofort, daß sein Zweifel unbegründet war: das Pferd wußte, was es zu tun hatte. Es erhöhte sein Tempo, und im gleichen Takte, genau wie der Reiter es sich vorausgedacht hatte, hob es sich in die Höhe, stieß sich von der Erde ab und überließ sich dem Beharrungsvermögen, durch das es weit über den Graben hinweggetragen wurde; und in ganz demselben Takte, ohne Anstrengung, mit demselben Fuße, jagte Frou-Frou weiter.
»Bravo, Wronski!« riefen ihm mehrere Stimmen aus einer Gruppe von Herren zu (er wußte, daß es Freunde aus seinem Regimente waren), die sich an diesem Hindernisse aufgestellt hatten. Er hörte unverkennbar Jaschwins Stimme heraus, sah ihn aber nicht.
›O du mein prächtiges Tier!‹ sagte er in seinem Inneren zu Frou-Frou und horchte dabei auf das hin, was hinter ihm vorging. ›Er ist hinübergekommen!‹ dachte er, als er Gladiators Hufschläge wieder hinter sich hörte. Jetzt war nur noch der letzte, anderthalb Meter breite
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