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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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die von ihr ergriffenen Maßregeln haben mögen. So müßte zum Beispiel das Anwachsen der Frauenbildung von jenem Standpunkte aus als schädlich erachtet werden; aber die Regierung richtet Ausbildungskurse für Frauen ein und läßt die Frauen zum Universitätsstudium zu.«
     
    Die Unterhaltung sprang nun sofort auf das neue Thema der Frauenbildung über.
     
    Alexei Alexandrowitsch sprach den Gedanken aus, daß die Frage der Frauenbildung gewöhnlich mit der Frage der Frauengleichberechtigung zusammengeworfen werde und daß man die Frauenbildung nur deshalb für schädlich erachte.
     
    »Ich bin im Gegenteil der Ansicht, daß diese beiden Fragen unlösbar miteinander verknüpft sind«, sagte Peszow. »Es liegt da ein irreführender Zirkelschluß vor. Der Frau werden die Rechte versagt wegen des Mangels an Bildung, und der Mangel an Bildung ist eine Folge des Fehlens von Rechten. Man darf nicht vergessen, daß die Knechtung der Frauen so allgemein und so alt ist, daß wir oft eine Abneigung dagegen haben, uns über die Kluft, die uns von ihnen trennt, klarzuwerden.«
     
    »Sie sagten ›Rechte‹«, begann nun Sergei Iwanowitsch, der abgewartet hatte, bis Peszow schwieg, »und meinten wohl damit das Recht, die Tätigkeiten eines Geschworenen, eines Stadtverordneten, eines Gerichtspräsidenten, eines Verwaltungsbeamten, eines Parlamentsmitgliedes auszuüben ...«
     
    »Gewiß.«
     
    »Aber selbst wenn die Frauen, was immer eine seltene Ausnahme sein wird, imstande sein sollten, solche Stellen auszufüllen, so scheint mir doch, daß Sie dabei den Ausdruck ›Rechte‹ falsch angewandt haben. Es wäre richtiger, ›Pflichten‹ zu sagen. Jeder wird mir zugeben, daß wir bei der Ausübung irgendwelcher amtlichen Tätigkeit, der Tätigkeit eines Geschworenen, eines Stadtverordneten, eines Telegrafenbeamten, das Gefühl haben, daß wir damit eine Pflicht erfüllen. Und daher würde man sich richtiger ausdrücken, wenn man sagte: die Frauen streben nach Pflichten, und zwar in einer durchaus rechtmäßigen, gesetzmäßigen Weise. Und diesem ihrem Wunsche, bei der gemeinsamen Arbeit der Männer mitzuhelfen, kann man nur beifällig gegenüberstehen.«
     
    »Vollkommen richtig«, stimmte Alexei Alexandrowitsch zu. »Meiner Ansicht nach ist nur die Frage, ob die Frauen zur Erfüllung dieser Pflichten auch befähigt sind.«
     
    »Wahrscheinlich werden sie sich als in hohem Grade befähigt herausstellen«, warf Stepan Arkadjewitsch dazwischen, »sobald die Bildung unter ihnen eine weitere Verbreitung gefunden haben wird. Wir sehen das ja ...«
     
    »Aber was sagt das Sprichwort?« unterbrach ihn Fürst Schtscherbazki, dessen kleine Augen schon lange spöttisch gefunkelt hatten, während er dem Gespräche zuhörte. »Da von Damen nur meine Töchter da sind, kann ich's ja sagen: ›Langes Haar und kurzer Verstand.‹«
     
    »Genau ebenso urteilte man über die Neger vor der Aufhebung der Sklaverei!« erwiderte Peszow ärgerlich.
     
    »Ich finde es nur sonderbar, daß die Frauen nach neuen Pflichten suchen«, sagte Sergei Iwanowitsch, »während wir bedauerlicherweise sehen, daß die Männer sich ihren Pflichten gern entziehen.«
     
    »Pflichten sind mit Rechten verbunden, und nach denen streben die Frauen, nach Macht, Geld, Ehre«, bemerkte Peszow.
     
    »Das wäre dieselbe Geschichte, wie wenn ich nach dem Rechte, Amme zu sein, streben und mich gekränkt fühlen wollte, weil man Frauen für diesen Dienst bezahlt und mich nicht haben will«, meinte der alte Fürst.
     
    Turowzün brach in ein lautes Gelächter aus, und Sergei Iwanowitsch fühlte ein gewisses Bedauern, daß er das nicht selbst gesagt hatte. Selbst Alexei Alexandrowitsch lächelte.
     
    »Ja, aber ein Mann kann nicht nähren«, wendete Peszow ein, »hingegen kann eine Frau ...«
     
    »Nun, ein Engländer hat doch einmal auf dem Schiffe seinen Säugling selbst genährt«, erwiderte der alte Fürst, der sich durch die Anwesenheit seiner Töchter nicht davon abhalten ließ, sich im Gespräche ein bißchen gehenzulassen.
     
    »Es wird wohl so herauskommen, daß es ebensoviel weibliche Beamte gibt wie solche Engländer«, sagte Sergei Iwanowitsch.
     
    »Ja, aber was soll ein Mädchen tun, das keine Familie hat?« wandte Stepan Arkadjewitsch ein und dachte dabei an Fräulein Tschibisowa, die er die ganze Zeit über im Sinne gehabt hatte, wo er mit Peszow übereingestimmt und ihm seinen Beifall bekundet hatte.
     
    »Wenn man sich aber den Lebenslauf dieses

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