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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Streichung irgendwelcher Geldsummen und über die Legung irgendwelcher Röhren, und Sergei Iwanowitsch griff zwei andere Mitglieder der Versammlung sehr scharf an und hielt eine längere Rede, mit der er entschieden den Sieg davontrug. Und ein anderes Mitglied antwortete ihm, unter Benutzung eines Zettels mit Vermerken, anfangs etwas zaghaft, dann aber recht giftig und ganz allerliebst. Und dann sagte Swijaschski, der auch da war, etwas in sehr schöner, vornehmer Weise. Ljewin hörte ihnen zu und sah deutlich, daß weder diese weggestrichenen Geldsummen noch die Röhren einem von ihnen Kummer machten und daß sie sich überhaupt nicht ärgerten und zankten, sondern sämtlich sehr gute, prächtige Menschen waren und daß es durchweg sehr hübsch und nett unter ihnen zuging. Sie taten niemandem etwas zuleide und fühlten sich offenbar alle sehr behaglich. Merkwürdig erschien ihm, daß sie alle für ihn heute gleichsam durchsichtig geworden waren und er an kleinen Anzeichen, die ihm früher entgangen waren, die Seele eines jeden genau beurteilen konnte und klar erkannte, daß sie sämtlich gute Menschen waren. Namentlich schienen sie alle ihn selbst heute außerordentlich gern zu haben. Das war aus der Art deutlich, wie sie mit ihm sprachen und wie sogar diejenigen, mit denen er gar nicht bekannt war, ihn freundlich und vertraulich ansahen.
     
    »Nun also, bist du zufrieden?« fragte ihn Sergei Iwanowitsch.
     
    »Sehr. Ich hätte nicht gedacht, daß das so interessant wäre! Wunderschön, ganz ausgezeichnet!«
     
    Swijaschski trat zu Ljewin heran und lud ihn ein, in seiner Familie mit ihm Tee zu trinken. Ljewin konnte durchaus nicht begreifen und sich nicht erinnern, was ihm eigentlich an Swijaschski früher unangenehm gewesen sei und was er bei ihm vermißt habe. Er war ja doch ein überaus kluger und außerordentlich gutherziger Mensch.
     
    »Sehr gern«, erwiderte er und erkundigte sich dann nach seiner Frau und nach seiner Schwägerin. Und infolge einer sonderbaren Gedankenverbindung, indem sich nämlich in seinem Kopfe der Gedanke an Swijaschskis Schwägerin mit dem Gedanken an das Heiraten verknüpfte, kam er zu der Vorstellung, daß er mit niemand besser von seinem Glücke reden könne als mit Swijaschskis Frau und Schwägerin, und so war es ihm denn eine große Freude, mit diesem mitzufahren.
     
    Swijaschski befragte ihn über sein Unternehmen auf dem Lande und bestritt dabei wie immer die Möglichkeit, etwas zu finden, was in Europa noch nicht gefunden wäre; aber jetzt fühlte sich Ljewin dadurch in keiner Weise unangenehm berührt. Im Gegenteil sagte er sich, daß Swijaschski recht habe und dieses ganze Unternehmen wertlos sei, und er beachtete die bewundernswerte Milde und Zartheit, mit der Swijaschski es vermied, seine eigene Ansicht geradezu als die richtige zu bezeichnen. Swijaschskis Damen waren ganz besonders liebenswürdig. Ljewin hatte die Empfindung, als wüßten sie bereits alles und nähmen herzlich daran Anteil und wollten nur aus Zartgefühl nicht davon reden. Er saß bei ihnen eine Stunde lang, zwei Stunden, drei Stunden und unterhielt sich mit ihnen über die mannigfaltigsten Gegenstände; aber er dachte im stillen nur an das, was seine ganze Seele ausfüllte, und bemerkte nicht, daß er Swijaschskis furchtbar langweilte und daß sie längst gern sich schlafen gelegt hätten. Swijaschski begleitete ihn gähnend in das Vorzimmer, höchst verwundert über den sonderbaren Zustand, in dem sich sein Freund befand. Es war schon ein Uhr durch. Ljewin kehrte in sein Hotel zurück und erschrak bei dem Gedanken, daß er nun die noch übrigen zehn Stunden allein mit seiner Ungeduld werde verbringen müssen. Der Kellner, der den Nachtdienst hatte und deshalb wach war, zündete ihm die Kerzen an und wollte dann wieder hinausgehen; aber Ljewin hielt ihn zurück. Dieser Kellner Jegor, den Ljewin früher gar nicht beachtet hatte, erwies sich als ein sehr verständiger, netter und vor allen Dingen auch als ein von Herzen guter Mensch.
     
    »Nun, Jegor, das ist wohl eine schwere Aufgabe, so die ganze Nacht wach zu bleiben?«
     
    »Was ist zu machen? Das gehört nun einmal mit zu unserm Dienst. Wenn man bei einer Herrschaft ist, hat man ja mehr Ruhe; aber dafür ist hier die Einnahme besser.«
     
    Auf Ljewins Fragen teilte ihm Jegor mit, daß er verheiratet sei und drei Knaben und eine Tochter habe, die Näherin sei und nächstens einen Handlungsgehilfen aus einem Geschäft für Pferdegeschirre heiraten

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