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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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schrie und klatschte. Der Kapellmeister auf seinem erhöhten Platze war bei der Überreichung des Geschenkes behilflich und rückte dann seine weiße Binde wieder zurecht. Wronski ging bis mitten ins Parkett hinein, blieb dann stehen und blickte um sich. Heute achtete er noch weniger als sonst auf das ihm bekannte, gewohnte Bild, auf die Bühne, auf diesen Lärm, auf dieses ganze bekannte, ihm gleichgültige bunte Gewimmel von Zuschauern in dem gedrängt vollen Theater.
     
    In den Logen befanden sich Damen von der gleichen Art wie immer und im Hintergrunde der Logen irgendwelche Offiziere; überall dieselben buntgeputzten Damen wie sonst, Gott weiß welchen Standes, dieselben Uniformen und Zivilanzüge; derselbe unsaubere Pöbel auf der Galerie; und unter diesem ganzen Schwarm waren in den Logen und in den vordersten Reihen des Parketts etwa vierzig wirkliche Herren und Damen. Auf diese Oasen richtete Wronski sofort seine Aufmerksamkeit und trat mit ihnen unverzüglich in Beziehung.
     
    Als er eintrat, war gerade ein Akt zu Ende; daher ging er, ohne in der Loge seines Bruders vorgesprochen zu haben, nach vorn bis zur ersten Reihe des Parketts und blieb an der Rampe bei Serpuchowskoi stehen, der, das eine Knie krümmend, mit dem Absatz gegen die Rampe klopfte und, sowie er Wronski von weitem gewahr geworden war, ihn durch ein Lächeln zu sich herangerufen hatte.
     
    Wronski hatte Anna noch nicht gesehen; er blickte absichtlich nicht nach ihrer Seite. Aber er merkte an der Richtung der Blicke anderer, wo sie saß. Er sah sich unauffällig um, ohne nach ihr zu suchen; das Schlimmste erwartend, suchte er mit den Augen Alexei Alexandrowitsch. Aber zu Wronskis Glück war er heute nicht im Theater.
     
    »Wie wenig Militärisches du dir doch in deiner Erscheinung bewahrt hast!« sagte Serpuchowskoi zu ihm. »Du siehst aus wie ein Diplomat, ein Künstler oder so etwas.«
     
    »Ja, sowie ich wieder nach Rußland zurückgekehrt bin, habe ich den Frack angezogen«, antwortete Wronski lächelnd und nahm langsam das Opernglas aus dem Behälter.
     
    »Offengestanden, in dieser Hinsicht beneide ich dich. Ich, wenn ich aus dem Auslande zurückkomme und dies hier wieder anlege« (er berührte seine Achselstücke), »bedaure immer, daß es mit meiner Freiheit wieder aus ist.«
     
    Serpuchowskoi hatte schon längst die Hoffnung aufgegeben, daß Wronski je wieder zu seiner militärischen Tätigkeit zurückkehren werde; aber er hatte ihn noch ebenso gern wie früher und war jetzt besonders liebenswürdig zu ihm.
     
    »Schade, daß du den ersten Akt versäumt hast.«
     
    Wronski, der ihm nur mit einem Ohre zuhörte, richtete sein Opernglas auf den ersten Rang und die Parkettlogen und musterte die dort Sitzenden. Neben einer Dame mit einem Turban und einem kahlköpfigen alten Herrn, dessen ärgerlich verlegene Miene er durch sein umherwanderndes Glas wahrnahm, erblickte er auf einmal Annas stolzen, überraschend schönen, lächelnden Kopf in der Spitzenumrahmung. Sie befand sich in der fünften Parkettloge, etwa zwanzig Schritte von ihm entfernt. Sie saß vorn an der Brüstung und sagte, ein wenig zurückgewendet, etwas zu Jaschwin. Die Haltung ihres Kopfes auf den schönen, breiten Schultern und das verhaltene, lebhafte Leuchten ihrer Augen und des ganzen Gesichtes erinnerten ihn durchaus an die Erscheinung, in der sie ihm auf dem Ball in Moskau entgegengetreten war. Aber jetzt war seine Empfindung dieser Schönheit gegenüber ganz anders. In seinem Gefühl für sie lag jetzt nichts Geheimnisvolles mehr, und daher hatte ihre Schönheit, wiewohl sie ihn noch stärker als früher anzog, jetzt zugleich für ihn etwas Verletzendes. Sie blickte nicht nach der Richtung, wo er stand; aber Wronski fühlte, daß sie ihn schon gesehen hatte.
     
    Als er kurze Zeit darauf sein Glas wieder nach jener Seite wandte, bemerkte er, daß die Prinzessin Warwara auffällig rot aussah, in gezwungener Weise lachte und sich fortwährend nach der Nachbarloge umsah, Anna aber, mit dem zusammengeklappten Fächer auf den roten Samt der Brüstung klopfend, starr irgendwohin blickte und nicht sah, und auch augenscheinlich nicht sehen wollte, was in der Nachbarloge vorging. Jaschwins Gesicht zeigte den Ausdruck, den es zu tragen pflegte, wenn er im Spiel verlor. Die Augenbrauen zusammenziehend, steckte er die linke Schnurrbartspitze immer tiefer in den Mund hinein und schielte nach eben jener Nachbarloge hin.
     
    In dieser links gelegenen Loge waren Herr und

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