Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
Vom Netzwerk:
nicht besser wünschen.«
     
    »Ich glaube, ich werde ihn nehmen«, antwortete Wronski.
     
    Das Gespräch über Pferde zog ihn ja an; aber er mußte doch fortwährend an Anna denken, horchte unwillkürlich nach dem Geräusch der Schritte auf dem Vorsaal und blickte nach der Uhr auf dem Kamin.
     
    »Anna Arkadjewna läßt sagen, daß sie ins Theater gefahren ist.«
     
    Jaschwin kippte noch ein Glas Kognak in das schäumende Wasser, trank es aus, stand auf und knöpfte seinen Rock zu.
     
    »Nun, wollen wir auch fahren?« fragte er. Er lächelte leise unter seinem Schnurrbart und deutete durch dieses Lächeln an, daß er die Ursache der Mißstimmung Wronskis kenne, ihr aber keine Bedeutung beimesse.
     
    »Ich komme nicht mit«, erwiderte Wronski finster.
     
    »Ich muß aber hin, ich habe es versprochen. Nun, dann also auf Wiedersehen. Sonst komm doch ins Parkett und nimm Krasinskis Platz«, fügte Jaschwin beim Hinausgehen hinzu.
     
    »Nein, ich habe zu tun.«
     
    ›Eine Ehefrau macht einem Sorgen, und eine, mit der man nicht verheiratet ist, noch mehr‹, dachte Jaschwin, als er aus dem Hotel hinaustrat.
     
    Als Wronski allein geblieben war, stand er vom Stuhl auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.
     
    ›Was ist denn heute in der Oper? Die vierte Abonnementsvorstellung ... Jegor und Gemahlin werden da sein und wahrscheinlich auch die Mutter. Das heißt, ganz Petersburg ist da. Jetzt hat sie sich schon in die Loge begeben, hat den Pelz abgelegt und ist nach vorn ins Helle getreten. Tuschkewitsch, Jaschwin, die Prinzessin Warwara sind bei ihr.‹ Alles vergegenwärtigte er sich auf das lebhafteste. ›Nun, und ich? Fürchte ich mich etwa, oder habe ich diesen Tuschkewitsch beauftragt, ihr Beschützer zu sein? Man mag die Geschichte ansehen, wie man will, sie ist zu dumm, zu dumm! ... Und warum bringt sie mich in diese Lage?‹ dachte er und schwenkte dabei ärgerlich mit dem Arm.
     
    Bei dieser Bewegung stieß er an das Tischchen, auf dem das Selterswasser und die Kognakflasche standen, diese drohte herunterzufallen.
     
    Er wollte sie noch greifen, aber sie fiel doch, und ärgerlich stieß er mit dem Fuß den Tisch um und klingelte.
     
    »Wenn du bei mir im Dienst bleiben willst«, sagte er zu dem eintretenden Kammerdiener, »so denke besser an deine Obliegenheiten. Das brauchte hier nicht mehr herumzustehen. Du hättest es abräumen müssen.«
     
    Im Gefühl seiner Schuldlosigkeit wollte sich der Kammerdiener rechtfertigen; aber als er seinen Herrn anblickte, merkte er an dessen Gesicht, daß es ratsam sei zu schweigen. Er kniete auf den Teppich nieder und begann, eilig herumkriechend, die heilen und zerschlagenen Gläser und Flaschen aufzulesen.
     
    »Das ist nicht deine Sache. Schicke den Kellner her, dies wegzubringen, und lege mir meinen Frack zurecht!«
     
    Als Wronski das Theater betrat, war es halb neun Uhr. Die Aufführung war in vollem Gange. Ein alter Türschließer nahm ihm den Pelz ab, betitelte ihn, als er ihn erkannt hatte, »Euer Erlaucht« und bemerkte dienstfertig, er brauche keine Garderobennummer zu nehmen, sondern solle nachher nur einfach »Fjodor!« rufen. In dem hell erleuchteten Gang befand sich niemand außer dem Türschließer und zwei Lakaien mit Pelzen über den Armen, die an der Tür horchten. Durch die nur angelehnte Tür vernahm man die zurückhaltende Stakkato-Begleitung des Orchesters und eine weibliche Stimme, die mit großer Genauigkeit ein Gesangstück vortrug. Die Tür öffnete sich, um einen hindurchschlüpfenden Türschließer herauszulassen, und das Gesangstück, das sich seinem Ende näherte, drang auf einmal laut und deutlich an Wronskis Ohr. Aber die Tür schloß sich sofort wieder, und Wronski konnte den Schlußsatz nicht hören, erkannte aber durch die Tür hindurch an dem donnernden Händeklatschen, daß der Gesang zu Ende war. Als er in den von Kronleuchtern und bronzenen Gasarmen hell erleuchteten Saal trat, dauerte der Lärm noch an. Auf der Bühne stand die Sängerin, mit schimmernden nackten Schultern und blitzenden Brillanten, verbeugte sich lächelnd, sammelte mit Hilfe des Tenors, der sie an der Hand gefaßt hatte, die ungeschickt über die Rampe geworfenen Blumen und trat zu einem Herrn mit wundervollem Mittelscheitel in den pomadeglänzenden Haaren, der sich mit seinen langen Armen über die Rampe herüberreckte und ihr irgendeinen Gegenstand hinhielt; und das gesamte Publikum im Parkett und in den Logen war in Aufregung, beugte sich vor,

Weitere Kostenlose Bücher