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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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möglich.«
     
    Frau Karenina stand da, ohne sich zu bewegen, in sehr gerader Haltung; ihre Augen lächelten.
     
    »Anna Arkadjewna«, bemerkte die Gräfin erklärend zu ihrem Sohne, »hat ein Söhnchen, ich glaube von acht Jahren; sie hat sich bisher noch nie von ihm getrennt und grämt sich nun darüber, daß sie ihn verlassen hat.«
     
    »Ja, die Gräfin und ich haben die ganze Zeit über von unseren Söhnen gesprochen, sie von dem ihrigen und ich von dem meinigen«, sagte Frau Karenina, und wieder erhellte ein Lächeln ihr Gesicht, ein freundliches Lächeln, das Wronski galt.
     
    »Das hat Sie höchstwahrscheinlich sehr gelangweilt«, antwortete er, indem er diesen Ball der Koketterie, den sie ihm zuwarf, sofort im Fluge auffing. Aber sie hatte offenbar keine Lust, das Gespräch in diesem Tone fortzusetzen, und wandte sich wieder der alten Gräfin zu:
     
    »Ich danke Ihnen sehr. Die Reise ist mir so schnell vergangen, daß ich es gar nicht gemerkt habe. Auf Wiedersehen, Gräfin!«
     
    »Leben Sie wohl, meine Beste!« erwiderte die Gräfin. »Lassen Sie mich Ihr liebes Gesichtchen küssen. Als alte Frau sage ich Ihnen einfach und geradezu, daß ich Sie sehr liebgewonnen habe.«
     
    Wie herkömmlich auch diese Redensart war, Frau Karenina hielt sie offenbar für aufrichtig gemeint und freute sich herzlich darüber. Sie errötete, beugte sich ein wenig hinab und bot ihre Wangen den Lippen der Gräfin dar; dann richtete sie sich wieder auf und gab mit jenem Lächeln, das bei ihr so oft zwischen Lippen und Augen hin und her wanderte, Wronski die Hand. Er drückte diese kleine Hand und empfand mit innigem Vergnügen, wie einen besonderen Genuß, den kräftigen Druck, mit dem sie fest und ungezwungen die seine schüttelte. Dann verließ sie das Abteil mit dem raschen Gange, der ihren ziemlich vollen Körper mit so erstaunlicher Leichtigkeit trug.
     
    »Eine allerliebste Frau!« sagte die alte Dame.
     
    Dasselbe dachte auch ihr Sohn. Er folgte ihr mit den Augen, bis ihre anmutige Gestalt verschwunden war, und sein Gesicht behielt den lächelnden Ausdruck bei. Durch das Fenster sah er noch, wie sie zu ihrem Bruder trat, ihre Hand auf seinen Arm legte und ein lebhaftes Gespräch mit ihm begann, das offenbar auf ihn, Wronski, keinerlei Bezug hatte, und das verdroß ihn.
     
    »Also, maman, Sie sind ganz wohlauf?« fragte er noch einmal, zu seiner Mutter gewendet.
     
    »Vollkommen, es geht alles vorzüglich. Alexander war sehr liebenswürdig. Und Warja ist sehr hübsch geworden. Sie hat etwas überaus Interessantes.«
     
    Damit begann sie wieder von den Dingen zu erzählen, die sie am meisten interessierten: von der Taufe ihres Enkels, zu der sie nach Petersburg gereist war, und von der außerordentlich gnädigen Gesinnung des Kaisers gegen ihren ältesten Sohn.
     
    »Da ist auch Lawrenti«, sagte Wronski, durch das Fenster hinausblickend. »Wenn es Ihnen gefällig ist, wollen wir jetzt gehen.«
     
    Der alte Haushofmeister, der die Gräfin auf der Reise begleitet hatte, erschien im Wagen mit der Meldung, daß alles bereit sei, und die Gräfin erhob sich, um zu gehen.
     
    »Gehen wir!« sagte Wronski. »Jetzt ist es nicht mehr so voll auf dem Bahnsteig.«
     
    Das Mädchen nahm die Reisetasche und das Hündchen, der Haushofmeister und ein Gepäckträger das übrige Handgepäck. Wronski reichte der Mutter den Arm; aber als sie eben aus dem Wagen gestiegen waren, liefen plötzlich einige Männer mit erschrockenen Gesichtern an ihnen vorbei, darunter auch der Stationsvorsteher mit seiner grellfarbigen Mütze. Offenbar war etwas Ungewöhnliches vorgefallen. Alles lief vom Zuge weg nach hinten.
     
    »Was gibt es? – Was ist los? – Wo? – Er ist umgestoßen worden. – Überfahren!« wurde unter den Vorübereilenden gerufen.
     
    Stepan Arkadjewitsch und seine Schwester, die ihn untergefaßt hatte, kamen ebenfalls mit erschrockenen Gesichtern wieder zurück und blieben, um aus dem Gedränge herauszukommen, an der Tür des Wagens stehen.
     
    Die Damen stiegen wieder in den Wagen ein; Wronski und Stepan Arkadjewitsch aber folgten dem Menschenschwarm, um Näheres über den Unfall zu erfahren.
     
    Ein Bahnwärter hatte, mochte er nun betrunken oder wegen der starken Kälte zu sehr eingemummt gewesen sein, einen Zug, der beim Rangieren zurückgeschoben wurde, nicht gehört und war zermalmt worden.
     
    Noch ehe die beiden Herren zurückkehrten, erfuhren die Damen diese Einzelheiten durch den

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