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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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nach immer mehr zu einem ganz besonderen und eigenartigen,
    das seinesgleichen weder in der Vergangenheit gehabt habe, noch in Zukunft jemals haben werde.
    »Jetzt werden wir aber einmal Konfekt zu essen bekommen!« äußerte Mademoiselle Linon, und Ljewin fuhr hin, um
    Konfekt zu kaufen.
    »Na, das freut mich recht«, sagte Swijaschski. »Ich empfehle Ihnen, die Blumen von Fomin zu entnehmen.«
    »Also Blumen sind nötig?« Und er fuhr zu Fomin.
    Sein Bruder meinte, er werde wohl etwas Geld aufnehmen müssen, da er doch viele Ausgaben haben werde, für
    Geschenke ...
    »Ah, also Geschenke sind erforderlich?« Und er hatte es eilig, zum Bankier Fulde hinzukommen.
    Und sowohl beim Konditor wie auch bei Fomin und bei Fulde sah er, daß die Leute ihn erwartet hatten und sich
    über sein Kommen freuten und an seinem Glücke teilnahmen, ganz so wie alle, mit denen er in dieser Zeit zu tun
    hatte. Es erschien ihm merkwürdig, daß ihn nicht nur alle Leute gern hatten, sondern sogar alle die Menschen, die
    ihm früher unleidlich gewesen waren und sich gegen ihn kühl und gleichgültig benommen hatten, nun von ihm entzückt
    waren, sich ihm in allen Dingen gefällig zeigten, seinem Gefühle gegenüber ein zartes, taktvolles Benehmen
    beobachteten und seine Überzeugung teilten, daß er der glücklichste Mensch der Welt sei, da seine Braut den Gipfel
    aller Vollkommenheit darstelle. Ganz dieselbe Empfindung hatte auch Kitty. Als die Gräfin Northstone sich erlaubte,
    eine Andeutung zu machen, daß sie eigentlich doch für Kitty noch etwas Besseres gewünscht habe, da wurde Kitty so
    heftig und bewies mit so überzeugenden Gründen, daß es einen besseren Gatten als Ljewin überhaupt auf der ganzen
    Welt nicht geben könne, daß die Gräfin Northstone dies zugeben mußte und von da an, sobald Kitty zugegen war, für
    Ljewin immer ein Lächeln des Entzückens bereit hatte.
    Das Geständnis, das er seiner Braut versprochen hatte, war das einzige schmerzliche Ereignis in dieser ganzen
    Zeit. Er fragte darüber den alten Fürsten um Rat und übergab mit dessen Genehmigung Kitty sein Tagebuch, in dem
    das, was ihn so quälte, geschrieben stand. Auch hatte er dieses Tagebuch bereits damals, als er es anlegte, im
    Hinblick auf seine zukünftige Braut geschrieben. Ihn peinigten zwei Dinge: seine Unreinheit und sein Unglaube. Das
    Geständnis seines Unglaubens nahm Kitty ohne Erregung hin. Sie war religiös gesinnt und hatte nie an der Wahrheit
    der Religion gezweifelt; aber sein äußerlicher Unglaube machte überhaupt keinen Eindruck auf sie. Vermöge ihrer
    Liebe kannte sie seine ganze Seele, und was sie in seiner Seele sah, das schien ihr gut; daß aber ein solcher
    Seelenzustand als Unglaube bezeichnet wird, das war ihr völlig gleichgültig. Über das andere Geständnis hingegen
    vergoß sie bittere Tränen.
    Ljewin hatte ihr sein Tagebuch nicht ohne inneren Kampf übergeben. Er wußte, daß es zwischen ihm und ihr keine
    Geheimnisse geben könne und dürfe, und war daher zu der bestimmten Überzeugung gelangt, daß es seine Pflicht sei,
    dies zu tun; aber er war sich nicht darüber klargeworden, wie dies wirken könne, und hatte sich nicht in ihre Seele
    hineinversetzt. Erst als er an dem betreffenden Abend vor der Theatervorstellung zu Schtscherbazkis kam, in Kittys
    Zimmer trat und ihr verweintes, trauriges, liebes Gesichtchen erblickte, das infolge des von ihm verschuldeten, nie
    wiedergutzumachenden Kummers so tief unglücklich aussah: erst da begriff er ganz, durch welch eine Kluft seine
    schmähliche Vergangenheit von ihrer Taubenreinheit getrennt war, und erschrak tief über das, was er getan
    hatte.
    »Nehmen Sie diese schrecklichen Bücher weg, nehmen Sie sie weg!« rief sie und stieß die Hefte, die vor ihr auf
    dem Tische lagen, von sich. »Warum haben Sie sie mir gegeben? ... Aber nein, es war doch besser so«, fügte sie, von
    Mitleid über seine verzweifelte Miene ergriffen, hinzu. »Aber es ist entsetzlich, entsetzlich!«
    Er ließ den Kopf sinken und schwieg. Er war nicht imstande, etwas zu sagen.
    »Sie werden es mir nicht verzeihen«, flüsterte er.
    »Verziehen habe ich es, ja. Aber es ist entsetzlich!«
    Aber sein Glück war so groß, daß selbst dieses Geständnis es nicht störte, sondern ihm nur eine neue
    Schattierung verlieh. Sie hatte ihm verziehen. Aber seitdem achtete er sich ihrer noch weniger für würdig, beugte
    sich moralisch noch tiefer vor ihr und schätzte sein unverdientes Glück noch

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