Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
zu-gefrorenen Teich. Max und ich starren einander an.
»Das wird allmählich zur schlechten Gewohnheit.« Die Bitterkeit in seiner Stimme ist ebenso offenkundig wie die Vampirin an seinem Arm.
Ich erwidere nichts. Das ist auch nicht nötig. Ich weiß genau, wovon er spricht. Dies ist nicht das erste Mal, dass wir uns unerwartet hier in Beso de la Muerte begegnen. Er ist Agent der Drogenbehörde – zumindest war er noch bei der DEA, als ich ihn zuletzt gesehen habe. Er und Culebra haben in der Vergangenheit zusammengearbeitet. Keiner von beiden hat mir erklärt, wie oder warum, und ich habe nicht nachgebohrt.
Aber diese Begegnung ist etwas anderes. Die Umstände sind völlig andere.
Ich bin wie gelähmt von dem Anblick, der sich mir bietet. Ich kann den Blick nicht von dem Mann losreißen, der bis vor ein paar Monaten mein fester Freund und Liebhaber war. Max und ich unterhielten jahrelang eine lockere Beziehung. An den Beziehungspausen war immer ich schuld. Das akzeptiere ich. Er hat sich endgültig aus meinem Leben verabschiedet, als er herausgefunden hat, was ich bin. Er hat gesehen, wie ich mich verwandelt habe.
Er hat gesehen, wie ich getötet habe, völlig gerechtfertigt durch die Umstände. Trotzdem kam er wohl nicht damit klar, eine Freundin zu haben, die alle paar Wochen ein ganz besonderes Bedürfnis hat.
Ihn hier vorzufinden und zu wissen, dass er mit dieser Vampirin geteilt hat, was er mit mir nicht teilen wollte, ist schmerzlich und verwirrend. Mit solchen Gefühlen kann ich nicht gut umgehen. Als ich noch menschlich war, habe ich sie meist gepackt wie eine Waffe, um dann auf den bedauernswerten Menschen loszugehen, der mich verletzt hatte. Daran hat sich nichts geändert. Statt mir die Haare zu raufen und ihn heulend nach dem Warum zu fragen, greife ich auf Vertrautes zurück.
Ich gehe auf ihn los. »Na, sieh mal einer an. Das ist ja interessant. Du findest also, es mit einer fremden Vampirin zu treiben, sei besser, als mit einer, die du kennst?«
Die Vampirin neben Max weicht einen Schritt zurück. Moment mal, sagt sie . Ich wusste nicht, dass er zu jemandem gehört. Er ist hier aufgetaucht und hat sich mir angeboten.
Während sie mir diese geistige Botschaft übermittelt, legt Max die Stirn in Falten. »Woher weißt du, dass ich mit ihr geschlafen habe?«
Ich spüre, wie sich ein säuerliches Lächeln über mein Gesicht ausbreitet. »Ich rieche es. War es gut, Max? Anscheinend schon, denn dein Zartgefühl hat es dir ja vorher nicht erlaubt, mit einer Vampirin zu schlafen. Zumindest habe ich bisher angenommen, dass du mich deshalb verlassen hast.«
Seine Miene wird härter, Verwirrung schlägt in Wut um. »Schieb das nicht auf mich, Anna. Du hast mir monatelang verheimlicht, was du bist. Du hättest es mir nie gesagt, wenn ich nicht zufällig hier gewesen wäre und es selbst mitbekommen hätte.«
Da hat er recht. Die Anpassung an dieses neue Dasein war schwer, und besonders schwer fällt mir, dass ich diese Veränderung vor jenen Sterblichen verbergen muss, denen ich weiterhin nahe sein will. »Ich habe es dir verheimlicht, aber ich hatte ganz recht damit, oder nicht? Du hast mich verlassen. Hast dich nicht einmal von mir verabschiedet, und jetzt treffe ich dich hier. Wann hast du beschlossen, ein Wirt zu werden? Als du gemerkt hast, wie phantastisch der Sex ist? Gar nicht so einfach, bei gewöhnlichen Sterblichen auf Touren zu kommen, wenn man erst mal dieses ultimative Erlebnis hatte, oder?«
»Du musst es ja wissen.« Seine Stimme hat einen gekränkten Unterton. »Du bist bei mir nicht mehr gekommen, bis zu diesem letzten Mal. Deswegen war es so phantastisch, nicht wahr? Weil du von mir getrunken hast. Das war das einzige Mal, dass ich dich befriedigen konnte, seit du .... «, seine Stimme bricht, »… das bist.«
Er greift hinter sich und packt die Vampirin am Arm. Sie hat nicht damit gerechnet, weil sie auf die Auseinandersetzung zwischen Max und mir konzentriert war. Aber sie ist blitzschnell wieder bei sich. Sie senkt den Kopf, faucht und beißt ihm die Hand blutig.
Ich komme ihm nicht zu Hilfe. Ich hätte genauso reagiert, wenn mich jemand so grob angefasst hätte.
Er zieht hastig die Hand zurück und blickt auf die hässliche Wunde hinab. »Das bist du, Anna. Ein Tier. Ich komme hierher, damit ich nicht vergesse, warum ich dich nicht mehr lieben kann.«
Culebra schiebt sich zwischen uns. »Regelt das draußen«, sagt er. »Ihr macht meine anderen Gäste nervös.«
Erst jetzt
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