Annas Erbe
nur zu gut. Udo, die Ratte – er ruhe in Frieden.
Hauptkommissar Fendrich hatte Eva gegen Morgen noch einmal verhört. Als Eva dies bei der Rückfahrt vom Präsidium erzählte, waren wieder die Ameisen durch Thanns Nerven gekrochen. Doch Fendrich schien sich fair verhalten zu haben. Meier hatte aufgepasst, und Eva hatte sich kein einziges Mal verplappert.
Es war Notwehr gewesen, kein Zweifel.
Thann kannte eine Konditorei unweit Evas Wohnung an der Hauptstraße. Er wagte es, die Wohnung zu verlassen. Jetzt, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, schienen die Wolken noch schwärzer und bis zum Bersten gefüllt. Ein steifer, kalter Wind blies Thann ins Gesicht. Im Café war es warm. Vor der Tortentheke drängelte sich ein Trupp älterer Damen.
Als Thann zurückkam, murmelte Eva etwas im Schlaf. Unter ihren Lidern gingen die Augen hin und her, eine senkrechte Falte stand auf der Stirn. Ein schlechter Traum. Sanft berührte Thann Evas Wange.
Die Kaffeemaschine brodelte, und Eva erwachte. Thann hatte den Tisch gedeckt. Sie fielen sich um den Hals, während der Himmel alle Schleusen öffnete und einen wahren Wolkenbruch auf die Stadt niederschüttete.
68.
Regen und Wind verursachten in ihrer seltenen Heftigkeit ungewohnte Geräusche. Immer wieder erschraken Thann und Eva. Er suchte unter ihren CDs nach einer Platte, die er kannte, und fand Jazz. Parker und Gillespie. Die Anspannung blieb.
Plötzlich hörten sie ein Klirren in der Küche. Thanns Herzklopfen war wieder da. Er griff nach einem der großen Messer und gab Eva ein Zeichen zurückzubleiben.
Die Küchentür lag angelehnt. Dahinter war es finster. Thann schlich langsam näher, das Messer nach vorn gestreckt. Da war es wieder, ein leises Scheppern, als habe jemand etwas umgestoßen. Thann trat die Tür auf und machte zugleich das Licht an. Er stieß das Messer in den Raum.
Die Gardine wehte ihm entgegen. Der Wind hatte das Fenster aufgedrückt und zwei Blumentöpfe umgeworfen. Thann verschloss sorgfältig das Fenster und hob die Scherben auf. In diesem Moment klingelte das Telefon. Er hörte Eva, die den Hörer abnahm.
»Ja? Wer ist da? ... Hallo?« Sie legte auf. Es klingelte wieder.
»Lass mich mal.«
Thann hob ab. »Hallo?«
Durch das Rauschen der Leitung drang nur der Regen, der auf ein Blechdach trommelte. Dann fuhr ein Auto vorüber. Thann erinnerte sich, dass unweit des Hauses eine Telefonzelle stand.
»Schneider? Dalla?«
Ein Grunzen, dann: »Thann, du trübe Tasse, das nächste Mal kriegen wir dich!« Ein kurzes, trockenes Lachen folgte.
Es war Schneider. Thann hörte, wie er einhängte. Thann, dich machen wir alle.
Eva schlug vor, die Nacht bei Marlies Kurz zu verbringen. Ihre Adoptiveltern hatten ihr Haus mit allerlei Alarmanlagen ausgerüstet. Dort würden sie sich sicher fühlen, hoffte sie. Mit Messern bewaffnet, stiegen sie in Thanns Auto. Unbehelligt fuhren sie durch den schweren Regen.
Frau Kurz freute sich über die Gesellschaft. Sie schilderte die letzten Stunden ihres Mannes. Eva erzählte, wie sie Korfmacher getötet hatte. Die Notwehr-Version. Thann berichtete von Bollmann, Schneider und Dalla. Sie tranken etwas Wein. Bald spürte Thann, wie ihm die Augen zufielen. Marlies Kurz gab ihm einen Revolver ihres Mannes, als sie schlafen gingen. Thann und Eva bekamen das Gästezimmer, das früher einmal Evas Zimmer gewesen war.
Endlich fiel die Angst von ihnen ab. Die Anspannung verflog, für kurze Zeit vergaßen sie die tödliche Bedrohung. Sie schliefen miteinander in dieser besinnungslosen Freude darüber, dass sie jemanden in den Armen hielten, der sie begehrte. Und so, wie sie lagen, als sie fertig waren, schliefen sie ein.
Thann lief durch ein Labyrinth aus Spiegeln. Immer wieder grinste ihm Bollmanns Bild entgegen. Er rannte und rannte, um es abzuschütteln. Plötzlich merkte er, dass er auf einem Laufband lief und in Wirklichkeit nicht vorwärtskam. Er wollte abspringen, doch unter ihm lauerten Dalla und Schneider. So sprang er über eine der Spiegelwände hinweg und landete mitten in den Dreharbeiten für einen Pornofilm. Sie zogen ihn aus, und er sollte mitmachen. Eva war auch dabei. Plötzlich ging die Tür auf. Razzia. Die Kollegen nahmen ihn fest und sperrten ihn ein. Keiner glaubte ihm, dass er unschuldig war. Er floh und geriet dabei wieder in das Spiegelkabinett, in dem Schneider und Dalla mit Messern auf ihn warteten. Er rief nach Tommaso.
Eva rüttelte ihn wach.
69.
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