Annas Erbe
wieder, seine Beine frei zu bekommen.
Plötzlich bekam er unerwarteten Spielraum und rollte zur Seite. Seine ganze Kraft legte er in einen Fausthieb gegen Schneiders Kopf, doch dieser ging ins Leere. Schneider war aufgestanden und polternd hinausgelaufen.
Dann hörte Thann das aufgeregte Hupen von draußen. Aus der Ferne kam eine Polizeisirene näher. Schneider polterte das Treppenhaus hinunter. Thann sprang auf, um hinterherzulaufen. Doch nun stolperte er über den kleinen Tisch, schlug ein zweites Mal gegen das Regal und verlor die Besinnung.
»Verdammt, wieso geht das Licht nicht an?« Diese Worte des Streifenbeamten waren das Erste, was Thann wahrnahm.
Seine Retter waren zu zweit. Statt Schneider zu verfolgen, waren sie nach oben gekommen, um nach dem Rechten zu sehen. Thann konnte es ihnen nicht verübeln. Ohne die beiden wäre er jetzt tot.
Sein Kopf pochte und dröhnte und seine Knie waren weich wie Grütze. Ein Kollege stützte ihn, der andere schraubte die Birnen fest. Regal und Tisch waren umgestürzt, überall lagen kleine, weiße Federn. An der Figur klebte etwas Blut, im Holz steckte eine Kugel.
Thann versprach dem Buddha, künftig an ihn zu glauben. Zumindest im nächsten Leben, wenn er ihm eine Wiedergeburt nach einem erfolgreicheren Angriff Schneiders bescheren würde.
66.
Samstag. Der Nebel war verschwunden. Eine schwere, schwarze Wolkendecke lag über der Stadt. Die tief stehende Sonne brach ihre Strahlen durch eine Lücke über dem Horizont. Das grelle Licht blendete Thann.
Sein Kopf schmerzte wie von einem schweren Kater. An seinem Schädel fühlte Thann mehrere Beulen, zum Teil blutverkrustet. Er wusste, dass er nicht gut aussah, und freute sich dennoch auf Eva, als er mit seinem Auto die Festung ansteuerte.
Im Radio brachten sie nichts über den Tod des Expolizeipräsidenten und nichts über die Schießerei bei Korfmacher. Stattdessen kündigten sie Regen an. Wenn es so weitergeht, können sie den Wetterbericht auf Band sprechen und täglich wiederholen, dachte Thann.
An einem Zeitungsstand hielt er und kaufte den BLITZ.
Die Überschrift war in fettem Schwarz und rot unterstrichen. Durch Thanns Nervenbahnen krochen Ameisen.
DIE PORNO-POLIZISTEN!
KÖNNEN UNS DIESE BEAMTEN VOR DEM VERBRECHEN SCHÜTZEN?
Das Foto auf der ersten Seite zeigte die Kraftschik mit einem Kollegen in eindeutiger Pose. Eine Momentaufnahme aus einem der zahlreichen von Udo Korfmacher produzierten Videos. Obwohl Geschlechtsteile und Augen mit schwarzen Balken abgedeckt waren, empfand Thann die Bilder als obszön. Der Text war angetan, das Verhältnis zwischen Polizei und Presse auf Jahre zu vergiften.
Zwei Polizeibeamte beim delikaten Nebenjob. Pornodreh nach Dienstschluss. Bumsfidel, während das Verbrechen in der Stadt überhandnimmt! Voller Einsatz vor der Kamera statt gegen Ganoven! Und immer mehr Polizisten arbeiten in ihrer Freizeit im Grenzbereich zwischen Legalität und Mafia! Polizeipräsident ›Bumm-Bumm‹ Bollmann über seine ›Bums-Bums‹ Beamten: Untersuchungskommission überprüft. Alles nur Einzelfälle. BLITZ enthüllt: So tief ist der Sumpf der Porno-Polizei wirklich!
Und weiter:
MEIN GEHEIMES DOPPELLEBEN ALS PORNOQUEEN!
Immer mehr tun es, keiner spricht darüber. Zum ersten Mal offenbart sich eine Polizeibeamtin schonungslos. Wie sie von Kollegen zum Sex vor der Kamera gezwungen wurde, welche perversen Praktiken sie mitmachen musste. Jetzt musste sie untertauchen, aus Angst vor der Rache der Porno-Polizei! Schockierende Einzelheiten auf Seite 4!
67.
Eva schlief bis weit in den Nachmittag. Thann hielt Wache. Er hatte in Evas Küche mehrere große Messer entdeckt und sie an strategisch wichtigen Orten versteckt. Und er hatte mit Tommaso telefoniert und sich bedankt. Er wusste nun, dass er auf den Kollegen zählen konnte, und bedauerte sein Verhalten im Belle. Tommaso schien keinen weiteren Groll gegen ihn zu hegen.
Als Nächstes rief Thann Marlies Kurz an und sprach sein Beileid aus. Sie erzählte ihm, was sie in der Nacht bereits zu Eva gesagt hatte. Korfmacher war bei Kurz gewesen. Die beiden waren in Streit geraten. Sie hatte den Eindruck, es sei um Geld gegangen. Ihr Mann verbat sich ihre Einmischung, doch als Korfmacher gegangen war, begannen seine Schmerzen.
Es war sein vierter und letzter Herzinfarkt.
Eva schlief unruhig. Kein Wunder. Auch wenn sie seinen wichtigsten Zeugen für immer stumm gemacht hatte, verstand Thann die Tat
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