Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
Vom Netzwerk:
mehr los. Ein vierter Knall mischte sich in den Lärm der Klingel. Wieder splitterte Holz. Thann drückte sich gegen die Tür der Nachbarwohnung. Noch drei Schüsse, rasch nacheinander. Dann war es völlig still.
    Thann fuhr an seine Hüfte, doch seine Dienstwaffe schien er in Evas Wohnung vergessen zu haben. Er entschloss sich, etwas zu tun, was gegen sämtliche Sicherheitsregeln verstieß, die man ihm je beigebracht hatte.
    Er nahm Anlauf und warf sich gegen die Tür zu Korfmachers Wohnung. Das Schloss krachte auf, doch die Tür bewegte sich nur wenig.
    Etwas Schweres schien sie zu blockieren. Da sah Thann die Blutlache, die unter der Ritze der Tür nach außen ins Treppenhaus sickerte. Er stemmte sich gegen die Tür und drückte sie auf. Es war ihm egal, dass er dem Schützen nun ein Ziel bot.
    Der Schütze war Eva.
    Sie stand da, zitternd und weinend, und zielte noch immer auf Udo Korfmacher, den Thann gegen die Wand geschoben hatte. Thann begann, beruhigend auf Eva einzusprechen. Sie weinte und zitterte und wischte sich mit der Hand, die die Waffe hielt, die Tränen aus dem Gesicht. Udo Korfmacher war tot. Mehrere Schüsse hatten ihn getroffen, mindestens einer davon mitten ins Gesicht, das nur auf den zweiten Blick an den Fotografen erinnerte. Thanns Zeuge war tot. Die Seife wieder entglitten, diesmal für immer. Was auch immer Korfmacher über Bollmann, Schneider und Dalla und vielleicht auch über Lemke gewusst hatte, er nahm es mit in die andere Welt, in die ihn Eva befördert hatte. Ins Nichts.
    Evas Beine knickten weg. Sie ließ sich an der Wand zu Boden gleiten.
    »Hilf mir. Bring ihn weg.«
    »Das geht nicht, Eva. Die Nachbarn haben die Schüsse gehört. Gleich werden meine Kollegen da sein. Pass auf, Eva. Du wolltest mit ihm reden, denn er wollte dich wieder erpressen. Du hattest Angst vor ihm, denn er war gewalttätig. Deshalb hast du die Waffe von mir geklaut. Nicht aus Vorsatz, ihn umzubringen, sondern zum Schutz, weil du weißt, dass er manchmal jähzornig ist. Und tatsächlich ging er plötzlich auf dich los, als du ihn zur Rede stellen wolltest. Es war reine Notwehr. Du wolltest ihn nicht töten, nur stoppen, verstehst du?«
    Thann lief ins Büro und holte Korfmachers silbernen Brieföffner. Er nahm die rechte Hand der Leiche und drückte ihr das lange, spitze Ding zwischen die Finger. Dann verständigte er Evas Anwalt. Sie hatte aufgehört zu weinen und beobachtete wortlos jeden seiner Schritte. Von der Straße drang das schrille Geheul der Polizeisirenen nach oben.
    Eva hielt noch immer die siebenschüssige Sig-Sauer P6 fest umklammert – Thanns Dienstpistole. Wer sich die Waffe stehlen ließ, hatte für gewöhnlich das Ende der Karriere erreicht. Auch für sich selbst musste Thann eine gute Geschichte erfinden, um im nun fälligen Disziplinarverfahren mit einem Verweis davonzukommen.
     
     
    65.
     
    Es war kaum Verkehr zu dieser frühen Morgenstunde. Der Nebel schien noch dichter geworden zu sein. Thann gebrauchte die Scheibenwischer. Er war froh, dass es nicht Fendrich oder Bollmann gewesen waren, die ihn und Eva vernommen hatten. Eva hatten sie für ein weiteres Verhör dabehalten. Anwalt Meier, ihr Chef, war bei ihr. Thann glaubte sie in guten Händen. Wenn Eva bei der Version blieb, die er ihr eingetrichtert hatte, konnte nichts passieren. Im Lauf des Vormittags würde er sie abholen können.
    Nach all der Aufregung dieser Nacht fühlte Thann die Müdigkeit zurückkehren. Er freute sich auf das Bett in Evas Wohnung. Sein alter Golf rumpelte in den Stoßdämpfern, als er zu schnell über eine Baustelle fuhr. Plötzlich blendeten ihn die Lichter des nachfolgenden Autos im Rückspiegel. Auch dieses war ins Schaukeln geraten. Die Lichter gingen auf und ab.
    An der nächsten roten Ampel versuchte Thann, seinen Hintermann zu identifizieren. Es war ein großer weißer Wagen älterer Bauart. Die zwei Insassen hatten etwa die gleiche Statur. Mehr war bei der Dunkelheit und dem Nebel nicht zu erkennen. Es war ein anderer Wagen als der, mit dem Schneider und Dalla am Vortag das Belle verlassen hatten. Dennoch war Thann beunruhigt. Er bedauerte, dass er nicht auf eine Ersatzwaffe bestanden hatte. Seine Pistole hatte man zur Spurensicherung ins Labor gebracht.
    Er erreichte das Viertel, in dem Eva wohnte, und bog ab. Der große alte Wagen war weg. Thann änderte noch ein paar Mal seine Richtung. Er blieb allein auf der Straße. Keine Verfolger. Er atmete auf.
    Eva hatte ihm einen Zweitschlüssel

Weitere Kostenlose Bücher