Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
großen, weißen Haube auf dem Kopf und all dem schweren Silber auf dem schneeweißen Hemd?
Sie verstand auch nicht ihre Sprache. Die junge Frau Daell sprach ganz anders. Sie zu verstehen, war ein Pappenstiel. Sobald sie aber mit der Mutter redete, sprach sie auch dies sonderbare Kauderwelsch.
Während Frau Arntzen und Bärbel sich noch immer vor Staunen nicht fassen konnten, traten die Gäste ins Zimmer. Anne zog dem Täufling das feine Kleid aus und legte ihn in das Körbchen, und dann kam sie in die Küche und gab Bescheid, daß man das Mahl auftragen könne.
Nun entfaltete sich Frau Arntzen mit all ihrer Übung und Erfahrung beim Anrichten des Festmahls, sie und die Tochter waren gut miteinander eingearbeitet, und das Ganze ging wie am Schnürchen.
„Mit dem Eis warte lieber noch!“ gebot Frau Arntzen. „Jetzt kommen erst die Ansprachen.“
Frau Arntzen hatte ihre gesellschaftlichen Erfahrungen.
Ganz recht, der Konzertmeister redete! Schön machte er es, das war keine Frage, so wie er seinem ersten Enkelkind alles Gute wünschte.
Der junge Daell sprach auch. Frau Arntzen begann die Formen aus dem Kühlschrank zu ziehen. Nun war es wohl gleich soweit.
Sie stellte die kristallene Platte bereit - „sei vorsichtig damit, Bärbel, sie gehört Konzertmeisters“ - aber dann hielt sie mit einemmal inne und schob die Formen wieder hinein.
Drinnen wurde abermals gesprochen. Frau Arntzen spitzte die Ohren. Wenn man doch bloß diese Sprache verstehen könnte! Aber die Stimme klang schön. Tief, ruhig - des Sprechens ungewohnt, und darum schwang ein ganz, ganz leises Zittern hinter den wenigen Worten mit:
„Ich möchte euch nur danken, daß ihr mich hierher gebeten habt, Anne und Jess. Es ist ein großes Erlebnis für mich. Ich habe nicht die Gabe, so leicht zu reden wie ihr - wir haben diese Gabe nicht mitbekommen, wir Leute von der Möwenbucht. Ich kann nicht ausdrücken, was ich gern sagen möchte - ich sage also nur Dank -und wieder Dank - und Gott segne die kleine Eva Kristina!“
Anne blickte mit tränenverschleierten Augen auf die Mutter. Es war das erste Mal, daß Mutter Kristina eine Rede gehalten hatte, soweit Anne zurückdenken konnte. Und als die Gläser leer waren, ruhten die Blicke von Mutter und Tochter ineinander.
Frau Arntzen stand mit der Hand an der Kühlschranktür. Jetzt war es wohl endlich soweit - nein, bei Gott, wieder klopfte jemand an das spröde Glas.
Und diesmal konnten Frau Arntzen und Bärbel dem, was gesagt wurde, folgen. Sie spähten durch den Türspalt, und da sahen sie, es war die ältere Frau Daell, die anmutige kleine Gestalt, das feine ovale Gesicht, dessen Wangen eine warme Glut hatten.
„. und ihr habt es beide im Laufe der letzten Zeit so oft gesagt: Wir verstehen nicht, wieso das Schicksal es so gut mit uns gemeint hat! Ihr geht in einem ständigen Staunen herum, daß euch das Glück so hold gewesen ist. Aber ich möchte gern erklären, woran das liegt. Als Anne ihren Teil zum Unterhalt beitragen mußte für euch, da entschied sie sich für die Arbeit, auf die sie sich verstand. Anne kann stricken, und sie hat Geschmack und Blick dafür, beides durch Generationen vererbt, ich möchte fast sagen, das Können vieler Generationen in dieser Arbeit oder dieser Kunst hat sich in unserm Annemädchen aufgestaut. Und Anne hat eine Handelsausbildung genossen und zwingt das Geschäftliche auch. Sie kann auch Geige spielen. Sie spielt nicht schlecht - nicht wahr, lieber Mann? - und dennoch - hätte sie versucht, aus ihrem kleinen Talent mehr zu machen, als es ist, ja, dann wäre es keine Goldgrube gewesen, Anne! Du bist so vernünftig gewesen und hast eingesehen, daß dein Spiel nur gerade für den Hausgebrauch reicht. Wenn wir in der Familie dich auch nur zu gern spielen hören.
Und du, Jess - du hast ebenfalls den Beruf ergriffen, für den du Begabung besitzt. Für dich konnte es nichts anderes geben als die Musik. Wärest du mit aller Gewalt in das Handelsfach hineingedrängt worden und danach auf einen Büroschemel, dann könntest du heute nicht auf die Erfolge zurückblicken, die du bis jetzt hast, und die Zukunft hätte wohl grau in grau vor dir gelegen, während sie sich jetzt - jetzt ganz sicher in Gold abzeichnet!
Das ist die Sache, seht ihr! Abgesehen vom Fleiß und Arbeitswillen und draufgängerischem Mut habt ihr euch beide mit etwas befaßt, das ihr könnt. Ihr habt zwei gänzlich verschiedene Berufe, und ihr achtet eure Berufe gegenseitig - und alles andere,
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