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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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als er durch die Drehtür trat und an einer Wand voller Sterne vorbeiging, Erinnerungen an all jene Chicagoer Polizisten, die seit 1872 im Dienst getötet worden waren. Max meldete sich bei dem Officer am Empfangstresen, dann ging er einen Flur entlang, fuhr mit einem leisen Fahrstuhl in den vierten Stock und begab sich in Superintendent Sinclairs Büro.
    Es war selten, dass Abraham Sinclair Max in die Zentrale bat. Ihre Meetings fanden normalerweise am Telefon statt, oder noch lieber bei einem eiligen Mittag- oder Abendessen.
    Gedankenverloren ging Max den Korridor entlang. Er murmelte eine Entschuldigung, als er versehentlich eine Beamtin mit der Schulter anstieß. Sie lächelte ihm freundlich zu, aber er war schon an ihr vorbei, den Blick auf die geschlossene Tür des Superintendent gerichtet.
    Max verschwendete kein Lächeln an Fremde. Er verschwendete es nicht einmal an Kollegen. Manchmal verschwendete er es an Freunde, aber auch nur manchmal.
    Max klopfte. Ohne auf eine Antwort zu warten, öffnete er die Tür und ging hinein.
    Obwohl das Büro noch gar nicht so lange besetzt war, wenn man die Gesamtdauer der Karriere eines Polizisten in Betracht zieht, und obwohl die neu gebaute Zentrale eine weite Luftigkeit ausstrahlen sollte, war es dem Superintendent irgendwie gelungen, die muffige Düsternis seiner alten Bude in der South State Street hierher zu verpflanzen. In der Luft lag ein Hauch von Erschöpfung, wie er letztendlich allen Menschen zu eigen war, die jeden Tag mit Verbrechen und Perversionen zu tun hatten.
    An den Wänden prangten die Plaketten und Auszeichnungen vieler Jahre. Abrahams dunkelblaues Jackett, das über der Lehne seines Sessels hing, war voller Medaillen, sein Schreibtisch voll mit Familienfotos. Es gab viel, worauf er stolz sein konnte. Superintendent Sinclair war ein Schwarzer, der hart daran gearbeitet hatte, die unsichtbaren Grenzen zwischen den Rassen abzutragen. Er hatte eine Abteilung gegen häusliche Gewalt eingerichtet und war der entscheidende Faktor hinter dem drastischen Sinken der Mordrate in Chicago. Er hatte sich intensiv dafür engagiert, die Kommunikation zwischen Polizisten und Bürgern zu verbessern, zwischen Schwarz und Weiß, Reich und Arm. Er war ein Vorbild für alle, und andere Städte betrachteten ihn als leuchtendes Beispiel.
    Sinclair schaute von seinem Telefongespräch auf und deutete auf einen Sessel, in dem Max Platz nehmen sollte, was dieser ignorierte. Es war kein Befehl, nur ein Vorschlag. Max blieb lieber stehen. Wollte lieber in der Lage sein, zu gehen.
    Sinclair drehte sich in seinem Stuhl, wandte Max den Rücken zu. »Ich muss dich später zurückrufen«, sagte er und beendete das Gespräch eilig. Er legte auf, dann drehte er sich zurück und sah Max in die Augen, die Finger über einer dicken Akte verschränkt. Max fiel auf, was auf ihrem Rücken stand: »Madonna-Morde«.
    »Meine Enkelin hat Geburtstag«, verkündete Abraham. Abraham hatte schon immer seine beiden Lebenswelten vermischt - etwas, das Max überhaupt nicht tat. Max plauderte nicht über seinen Sohn, wenn er bei der Arbeit war, und er redete mit seinem Sohn nicht über seine Arbeit. So
    hoffte er - vielleicht vergeblich - zu verhindern, dass Ethan etwas Schlimmes zustieß.
    Max kam zur Sache. »Sie wollten mit mir über den Mord an der Mutter und ihrem Sohn reden? «
    »Ich wollte Sie darüber informieren, dass ich jemanden gebeten habe, uns bei dem Fall zu unterstützen. «
    »FBI?« Es war ungewöhnlich, dass jemand von außen kam, es sei denn vom FBI.
    »Nein. Sie heißt Ivy Dunlap. «
    »Dunlap? Was ist ihre Qualifikation? «
    »Sie hat einen Abschluss in Kriminalpsychologie. Unterrichtet an der Universität Guelph ...«
    »Guelph?«
    »Ontario.«
    Wenn Max angestrengt nachdachte, schaute er niemanden an, bis ein Gedanke sich irgendwo im Raum herausbildete. Dann, bäng, sah er Abraham in die Augen - das Äquivalent dazu, mit den Fingern zu schnippen.
    »Hat sie nicht diese Theorie entwickelt, die sie symbolhafte Morde nennt? Dieser Mist, dass Serienmorde Metaphern des Unbewussten sind?«
    »Ich würde es nicht >Mist< nennen. « Abraham schien enttäuscht, dass Max sich erinnern konnte.
    Max vermutete, dass die Frau an einem weiteren Buch arbeitete und »einen Blick hinter die Kulissen« werfen wollte. Aber was für Menschen lasen eigentlich diese schöngefärbten Versionen der scheußlichsten Verbrechen, die heutzutage in der Welt begangen wurden? Max wollte damit nichts zu tun haben.

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