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Anne in Avonlea

Anne in Avonlea

Titel: Anne in Avonlea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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nützlich zu machen, Prillie einen Eimer voll eisigkaltem Wasser über Gesicht und Schulter schüttete, noch ehe sie jemand daran hindern konnte.
    Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis wieder Ruhe herrschte -aber dann herrschte eine Stille, die förmlich zum Greifen war. Allen wurde klar, dass auch die Explosion die geistige Verfassung der Lehrerin nicht wieder hergestellt hatte. Niemand, außer Anthony Pye, traute sich auch nur zu flüstern. Ned Clay quietschte beim Rechnen versehentlich mit dem Füller, zog so Annes Aufmerksamkeit auf sich und wünschte, der Boden würde sich auftun und ihn verschlucken. Die Erdkunde-Klasse wurde in einem Tempo durch einen Kontinent gehetzt, dass ihr ganz schwindlig war. Die Sprachlehre-Klasse wurde nach Strich und Faden auseinander genommen und auf Herz und Nieren geprüft. Chester Sloane, der »duftend« mit zwei »f« buchstabierte, bekam das Gefühl, dass diese Schande nie in Vergessenheit geraten würde, weder in dieser Welt noch im Jenseits.
    Anne wusste, dass sie sich zum Gespött gemacht hatte und dass über den Zwischenfall noch an so manchen Tischen an diesem Abend gelacht werden würde, aber das Wissen darum machte sie nur umso wütender. In einer ruhigen Gemütsverfassung hätte sie gelacht und so die Situation gerettet, aber jetzt war das unmöglich. Also ging sie in eisiger Verachtung darüber hinweg.
    Als Anne nach dem Mittagessen in die Schule zurückkehrte, saßen alle Kinder wie üblich an ihren Plätzen und hielten voller Fleiß die Köpfe über die Tische gebeugt, bis auf Anthony Pye. Er schaute mit seinen vor Neugier und Spott funkelnden schwarzen Augen über das Buch hinweg Anne an. Anne zog, auf der Suche nach Kreide, die Schublade ihres Tischs auf - und da kam unter ihren Händen eine Maus herausgesprungen, rannte über den Tisch und sprang auf den Boden!
    Anne schrie und machte einen Satz rückwärts, so als wäre es eine Schlange, und Anthony Pye brach in lautes Lachen aus.
    Dann trat Stille ein — eine unheimliche, bedrohliche Stille. Annetta Bell schwankte, ob sie einen Schreikrampf bekommen sollte oder nicht, vor allem, da sie nicht wusste, wohin die Maus verschwunden war. Aber sie überlegte es sich anders. Wem konnte ein Schreikrampf nützen, wo schon die Lehrerin mit kreidebleichem Gesicht und weit aufgerissenen Augen vor einem stand?
    »Wer hat die Maus in die Schublade getan?«, sagte Anne. Sie sprach ziemlich leise, aber Paul Irving lief es kalt den Rücken hinunter. Sie sah Joe Sloane an, der sich von den Haarwurzeln bis in die Fußspitzen schuldig fühlte, aber nur wild stotterte: »I-i-ich n-n-nicht, M-M-Miss, i-i-ich n-n-nicht.«
    Anne schenkte dem bedauernswerten Joseph keinerlei Beachtung. Sie sah Anthony Pye an. Anthony erwiderte ihren Blick unerschrocken und nicht beschämt.
    »Anthony, warst du es?«
    »Ja«, sagte Anthony frech.
    Anne nahm ihren Zeigestock vom Tisch. Es war ein langer, kräftiger Zeigestock aus hartem Holz.
    »Komm her, Anthony.«
    Es war längst nicht die schlimmste Strafe, die Anthony Pye bisher erlebt hatte. Anne, so aufgebracht sie in diesem Augenblick auch war, hätte es nicht fertig gebracht, ein Kind grausam zu bestrafen. Aber der Zeigestock tat ganz schön weh und schließlich schwand Anthonys Heldentümelei. Er zuckte zusammen und Tränen traten ihm in die Augen.
    Anne, von Gewissensbissen gepeinigt, ließ den Zeigestock sinken und befahl Anthony an seinen Platz zu gehen. Sie setzte sich beschämt, voller Reue und bitterlich gedemütigt an ihren Tisch. Ihr heftiger Zorn war verraucht. Sie hätte viel darum gegeben, hätte sie sich einfach hinsetzen und ihren Tränen freien Lauf lassen können. Dahin war es mit all ihrer Großtuerei gekommen - sie hatte tatsächlich einen ihrer Schüler verprügelt. Welch ein T riumph für Jane! Und wie Mr Harrison lachen würde! Aber was noch schlimmer war als das, der bitterste Gedanke überhaupt - sie hatte ihre letzte Chance vertan, Anthony Pye für sich einzunehmen. Niemals würde er sie jetzt noch mögen.
    Anne hielt mit, wie jemand es genannt hatte, »herkulesähnlicher Anstrengung« die Tränen zurück, bis sie am Abend zu Hause ankam. Sie schloss sich im Ostgiebel ein und weinte all ihre Beschämung, Reue und Enttäuschung in ihr Kopfkissen - weinte so lange, bis Marilla sich Sorgen machte, ins Zimmer kam und wissen wollte, welchen Kummer sie hatte.
    »Ich habe etwas auf dem Gewissen«, schluchzte Anne. »Oh, war das ein rabenschwarzer Tag, Marilla. Ich schäme mich

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