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Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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erfahren. Sie würden triumphieren und sagen: >Habe ich es dir nicht gleich gesagt?< - und überzeugt sein, dass das der Anfang vom Ende wäre. Dabei ist es erst der allererste Anfang.«
    »Genau. Das klingt schon mehr nach der alten Anne. Binnen kurzem werden wir uns eingelebt haben und alles ist bestens. Anne, ist dir eigentlich auch das Mädchen aufgefallen, das den ganzen Morgen allein vor der Tür zur Mädchengarderobe gestanden hat - das hübsche Mädchen mit den braunen Augen und dem leicht schiefen Mund?«
    »Ja, und zwar deshalb, weil sie als Einzige sich auch einsam und verlassen vorzukommen schien - wie ich mir. Dabei hatte ich ja dich, während sie niemanden hatte.«
    »Sie wirkte aber auch unschlüssig. Mehrere Male habe ich gesehen, wie sie einen Anlauf machte und zu uns herüberkommen wollte, und dann kam sie doch nicht - ist wohl zu schüchtern. Ich wollte, sie wäre gekommen. Wäre ich mir nicht so sehr wie der besagte Elefant vorgekommen, wäre ich zu ihr gegangen. Aber ich habe mich nicht getraut, quer durch den großen Saal zu stapfen, wo doch alle die Jungen schreiend auf der Treppe standen. Sie war, fand ich, die Hübscheste von allen, aber wahrscheinlich hilft einem Schönheit am allerersten Tag am Redmond auch nicht weiter«, sagte Priscilla mit einem Lachen.
    »Ich gehe nach dem Mittagessen hinüber auf den Friedhof«, sagte Anne. »Ich weiß nicht, ob ein Friedhof der richtige Ort ist, um sich aufzuheitern, aber es ist wohl der einzige Ort in der Nähe, wo es Bäume gibt. Und Bäume sind für mich lebenswichtig. Ich werde mich auf einen der alten Grabsteine setzen und die Augen zumachen und mir vorstellen, ich wäre in den Wäldern von Avonlea.«
    Das tat Anne jedoch nicht, denn auf dem Friedhof gab es genügend interessante Sachen, um die Augen weit offen zu halten. Sie gingen durchs Tor und unter dem schlichten massiven Steinbogen hindurch, der von dem großen Löwen gekrönt wurde.
    Anne betrachtete das Monument mit einem Schauern. Sie standen in dem düsteren, kühlen Friedhof, wanderten die langen grasbewachsenen Wege entlang und lasen die seltsamen Grabinschriften, die zu einer Zeit gemeißelt worden waren, die mehr Muse kannte als die unsere.
    »>Hier ruht Hochwohlgeboren Albert Crawford<«, las Anne auf einem verfallenen grauen Grabstein. »>Viele Jahre Kommandant der Königlichen Artillerie in Kingsport<. Und da ein kümmerlicher kleiner grauer Grabstein, Prissy - »Zum Gedenken an ein geliebtes Kind    »Ja, ich glaube, es ist das Mädchen, das wir heute Morgen am Redmond gesehen haben. Ich beobachte sie schon seit fünf Minuten. Sie hat schon ein halbes Dutzend Anläufe gemacht, den Weg heraufzukommen, und genauso oft hat sie wieder kehrtgemacht. Lass uns hingehen. Wahrscheinlich lernt man leichter auf einem Friedhof jemanden kennen als am Redmond.«
    Sie gingen die lange grasbewachsene Allee hinunter und auf die Fremde zu, die auf einer grauen Grabplatte unter einer ausladenden Weide saß. Sie war wirklich sehr hübsch. Ihr satinweiches Haar glänzte nussbraun und ihre runden Wangen leuchteten leicht rötlich. Ihre Augen unter den betonenden schwarzen Augenbrauen waren groß und braun und sanft und ihr leicht schiefer Mund war rosenrot. Sie trug ein fesches braunes Kleid, unter dem sehr modische kleine Schuhe hervorschauten. Ihr dunkelrosa Strohhut mit den goldbraunen Mohnblumen war unverkennbar das »Werk« einer Hutmacherin. Priscilla wurde sich schmerzlich der Tatsache bewusst, dass ihr eigener Hut dagegen von dem Hutmacher im Dorf angefertigt war, und Anne fragte sich betreten, ob ihre Bluse, die sie selbst genäht und die Mrs Lynde passend gemacht hatte, nicht doch arg ländlich und selbst gemacht aussah neben der hübschen Kleidung der Fremden. Im ersten Augenblick wollten die beiden schon umkehren.
    Aber sie waren schon stehen geblieben und hatten sich dem grauen Grabstein zugewandt. Es war zu spät kehrtzumachen, denn das braunhaarige Mädchen nahm offensichtlich an, dass die beiden sie ansprechen wollten. Sofort sprang sie auf und kam mit ausgestreckter Hand und einem fröhlichen, freundlichen

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