Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
Vom Netzwerk:
Pavillon.«
    Sie setzten sich in den Pavillon und betrachteten den Sonnenuntergang mit seinem tiefroten und blassgoldenen Schein. Zu ihrer Linken lag Kingsport, die Dächer und Dachspitzen waren in schwach violetten Dunst gehüllt. Zu ihrer Rechten lag der Hafen, der im Schein der untergehenden Sonne zartrosa und kupferfarben glänzte. Vor ihnen erstreckte sich sanft und silbergrau das Wasser.
    »Oh, wie wundervoll«, sagte Anne verzückt.
    »Lass uns über die Spofford Avenue nach Hause gehen«, schlug Gilbert vor. »Da können wir uns die Prachtvillen der Reichen ansehen. Die Spofford Avenue ist die Prachtstraße von Kingsport. Nur Millionäre können es sich leisten, dort zu wohnen.«
    »O ja«, sagte Phil. »Da gibt es ein bezauberndes kleines Haus, das ich dir zeigen möchte, Anne. Das Haus jedenfalls gehört keinem Millionär. Es liegt gleich hinter dem Park und muss gebaut worden sein, als die Spofford Avenue noch ein kleines Sträßchen war. Die Häuser direkt an der Straße interessieren mich nicht, mit all dem Spiegelglas und neumodisch, wie sie sind. Aber dieses Haus ist ein Traum - wirst gleich sehen.«
    Sie sahen es, als sie die von Kiefern gesäumte aufsteigende Straße hinaufgingen. Oben auf dem Kamm, dort wo die Spofford Avenue fast zu Ende war, stand ein kleines weißes Holzhaus; an beiden Seiten des Hauses standen Kiefern, die schützend ihre Äste über das niedrige Dach streckten. Das Haus war mit roten und goldfarbenen Weinranken bewachsen, aus denen die grünen Fensterläden herausschauten. Vor dem Haus war ein winziger Garten mit einer niedrigen Steinmauer. Obwohl es bereits Oktober war, blühten noch Blumen und Sträucher darin. Ein kleiner Pfad mit Fischgrätenmuster führte zum Tor zur vorderen Veranda. Das Ganze sah aus wie von einem kleinen Dorf hierher gepflanzt. Und doch hatte es etwas, das im Gegensatz dazu den klotzigen, von einem Rasen umgebenen Prunkbau des Tabakkönigs daneben plump und protzig aussehen ließ.
    »Das ist das schönste Haus, das ich je gesehen habe«, sagte Anne entzückt. »Es ist sogar noch schöner als Miss Lavendars Steinhaus.«
    »Achte vor allem einmal auf den Namen«, sagte Phil. »Schau -in weißen Buchstaben über dem Eingangsbogen. >Pattys Haus<. Ist das nicht hübsch? Und das an dieser Straße. >Pattys Haus    »Hast du eine Ahnung, wer Patty ist?«, fragte Priscilla.
    »Patty Spofford, so heißt die alte Dame, der das Haus gehört. Sie und ihre Nichte wohnen darin, und zwar schon seit ewigen Zeiten - na ja, vielleicht nicht ganz so lange, Anne. Da ist wohl die Phantasie mit mir durchgegangen. Immer wieder wollen reiche Leute das Haus kaufen, aber Patty gibt es um keinen Preis her. Es hat übrigens keinen Hinterhof, sondern einen Obstgarten - wenn wir ein Stückchen weitergehen, kann man ihn sehen -, einen richtigen Obstgarten mit Apfelbäumen an der Spofford Avenue!«
    »Heute Nacht werde ich von >Pattys Haus< träumen«, sagte Anne. »Es kommt mir vor, als würde ich dort hineingehören. Ob wir je das Glück haben und es von innen zu sehen bekommen?«
    »Das ist unwahrscheinlich«, sagte Priscilla.
    Anne lächelte geheimnisvoll.
    »Ja, es ist unwahrscheinlich. Aber ich glaube trotzdem daran. Ich habe so ein merkwürdiges kribbelndes, krabbelndes Gefühl - eine Ahnung, wenn ihr so wollt -, dass >Pattys Haus< und ich Bekanntschaft machen.«

07 - Wieder zu Hause
    Die ersten drei Wochen am Redmond hatten sich endlos lang hingezogen, aber der Rest des Semesters verging wie im Fluge. Noch bevor sie es sich richtig klargemacht hatten, steckten sie mitten in den Weihnachtsprüfungen, bei denen sie alle ganz gut abschnitten. Die ehrenvolle Bestenrolle bei den Anfängern wechselte ständig zwischen Anne, Gilbert und Philippa. Auch Priscilla schnitt gut ab. Charlie Sloane schlug sich ganz passabel und gab sich so selbstzufrieden, als wäre er in sämtlichen Fächern Bester.
    »Ich kann gar nicht glauben, dass ich morgen um diese Zeit schon auf Green Gables bin«, sagte Anne am Abend vor der Abreise. »Und du, Phil, wirst bei Alec und Alonzo in Bolingbroke sein.«
    »Ich sehne mich ja so nach ihnen«, gab Phil zwischen ein paar Bissen von ihrer Schokolade zu. »Sie sind alle beide schrecklich lieb. Die Ferien werden eine schöne Zeit werden. Ich werde nichts tun als Tanzen gehen und Ausflüge machen und Partys geben. Ich werde dir nie verzeihen, Anne, dass du in den Ferien nicht mit zu mir kommst.«
    »>Nie< heißt bei dir drei Tage, Phil. Es ist

Weitere Kostenlose Bücher