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Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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hingekritzelter Brief von Philippa, der nur von Alec und Alonzo berichtete.
    »Aber ich bin immer noch nicht schlüssig, wen von beiden ich nun heiraten soll«, schrieb Phil. »Ich wünschte, Du wärst mitgekommen, um mir die Entscheidung abzunehmen. Irgendjemand muss es mir abnehmen. Als ich mich mit Alec traf, bekam ich fürchterliches Herzklopfen und dachte: >Er ist der Richtige<. Als mich dann Alonzo besuchte, bekam ich wieder Herzklopfen. Danach kann ich mich also nicht richten, obwohl es doch eigentlich so sein sollte, jedenfalls steht das in allen Romanen, die ich kenne. Mit mir muss irgendetwas nicht stimmen. Aber trotzdem ist es herrlich hier. Ich wünschte, Du wärst hier!«
    Der Besuch in Echo Lodge war nur einer von vielen schönen Ferienausflügen. Anne und Diana gingen mit einem Picknickkorb den altvertrauten Weg durch den Birkenwald und genossen die Sonne. Sie öffneten auf Echo Lodge, das seit Miss Lavendars Hochzeit verriegelt gewesen war, kurz einmal alle Fenster und in den Kaminen der kleinen Räume loderten bald die Feuer. Noch immer lag der Duft von Miss Lavendars Rosenparfiim in der Luft. Man hatte das Gefühl, als müsste sie jeden Augenblick zur Tür hereinkommen.
    »Ich komme mir ein bisschen wie ein Geist vor, der den schönen alten Zeiten einen Besuch abstattet«, lachte Anne. »Lass uns nach draußen gehen und hören, ob es das Echo noch gibt. Nimm das alte Horn mit, es hängt da hinter der Küchentür.« Das Echo über dem verschneiten Fluss gab es noch und es ertönte genauso hell wie eh und je. Als der letzte Widerhall verklang, schlossen die Mädchen Echo Lodge wieder ab und machten sich auf den Weg nach Hause.

08 - Anne und der erste Heiratsantrag
    Das alte Jahr ging mit einem wütenden Schneegestöber zu Ende. Es war eine jener Nächte, in denen der Sturmwind über die gefrorenen Wiesen und Wälder fegt, um die Dachrinnen pfeift und den Schnee scharf gegen die bebenden Dachziegeln bläst.
    »Genau die Sorte Nacht, in denen man sich gern in Decken kuschelt und etwas Schönes träumt«, sagte Anne zu Jane Andrews, die am Nachmittag zu Besuch gekommen war und die Nacht über blieb. Aber als sie eingekuschelt in Decken in Annes kleinem Zimmer oberhalb der Veranda im Bett lagen, war es nicht gerade Annes Wunschtraum, mit dem Jane herausrückte.
    »Anne«, sagte sie sehr ernst, »ich muss dir etwas sagen.« Anne war ziemlich müde nach der Party, die Ruby Gillis am Vorabend gegeben hatte. Sie hätte viel lieber geschlafen, als Janes Geheimnissen zu lauschen, die sie garantiert langweilen würden. Sie hatte keine Ahnung, was da kommen mochte.
    »Ja, was denn?«, gähnte sie.
    »Anne«, sagte Jane noch ernster, »wie findest du meinen Bruder Billy?«
    Anne schnappte bei dieser unerwarteten Frage nach Luft und überlegte krampfhaft hin und her. Liebe Güte, wie fand sie Billy Andrews? Sie hatte sich noch nie Gedanken über ihn gemacht - über den rundgesichtigen, dümmlichen, ewig lächelnden, gutmütigen Billy Andrews. Machte sich überhaupt wer Gedanken über ihn?
    »Ich ... ich verstehe nicht, Jane«, stotterte sie. »Was genau . . . meinst du?«
    »Magst du Billy?«, fragte Jane geradeheraus.
    »Wieso ... wieso .. .ja, sicher«, keuchte Anne und fragte sich, ob das wirklich der Wahrheit entsprach. Jedenfalls verabscheute sie Billy nicht. Worauf wollte Jane hinaus?
    »Könntest du ihn dir als Ehemann vorstellen?«, fragte Jane ruhig.
    »Ehemann!« Anne hatte aufrecht im Bett gesessen. Jetzt fiel sie flach hintenüber in die Kissen und es verschlug ihr glatt die Luft. »Wessen Mann?«
    »Als deinen natürlich«, antwortete Jane. »Billy möchte dich heiraten. Er hatte schon immer einen Schwäche für dich - und jetzt hat Vater ihm die obere Farm überschrieben und nichts kann ihn mehr von einer Heirat abhalten. Aber er ist so schüchtern, dass er selbst dich nicht fragen mochte, also hat er mich darum gebeten. Ich wollte eigentlich nicht, aber er hat keine Ruhe gegeben, bis ich ihm versprochen habe, dich bei der nächsten Gelegenheit zu fragen. Wie stehst du dazu, Anne?« War es ein Traum?
    Nein, sie lag ja hellwach in ihrem eigenen Bett und Jane Andrews lag nebenan und machte ihr seelenruhig an ihres Bruders Stelle einen Heiratsantrag. Anne wusste nicht, ob sie lachen oder heulen sollte. Aber sie durfte Jane nicht kränken.
    »Ich ... ich kann Billy nicht heiraten, verstehst du, Jane«, brachte sie schließlich heraus. »Auf die Idee bin ich noch nie gekommen - niemals!«
    »Das hatte ich

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