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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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hoch. Darüber kann die Anni noch heute lachen. Und zwar so herzhaft, dass man ihre spärlichen drei Zähne sehen kann. »Mir ist halt gleich zu warm«, sagt sie entschuldigend, aber auch stolz, weil sie kein Weichei ist. »Ich brauch’ es warm, ich mag mich nicht erkälten«, entschuldigt sich der Alois, der nicht so stämmig gebaut ist wie die Anni. »Du hast halt mehr Speck wie ich«, setzt er noch charmant eines obendrauf. »Ja, das stört mich nicht«, lächelt die Anni selbstbewusst und auch Alois schmunzelt, weil auf seine Anni, da lässt er nichts kommen.
    Wenn der Schnee draußen eine Pause einlegt, dann sitzt die Anni im Winter gern in der Stube, dem einzigen beheizten Raum auf dem Hof, und näht, strickt oder macht andere Handarbeiten. »Alles, was man noch brauchen kann, wird bei uns nicht weggeworfen«, erzählt die Anni vom Sofa her. Auf dem Boden steht eine Waschschüssel voll unbenützter Schürzen, die ihr eine Bekannte aus Innernzell weitervererbt hat. »Die Jungen ziehen so etwas sowieso nicht mehr an«, kommentiert die Anni ihre geschenkten Kleider. »Die haben heute alle nur Jeanshosen an.« Aber sie schätzt diese Omaschürzen.
    Mühselig trennt sie die alten Stoffe auf, Stich für Stich. Dabei helfen der Anni ihre »Winterfenster« – so nennt sie ihre Brille – und der Alois. Geduldig hält er die Ärmel fest, denn dann tut sich die Anni leichter. »Ja mei, wenn des Sach’ nichts kostet«, murmelt er vor sich hin. »Warum denn nicht.« Und die Anni fällt begeistert ein: »Das sind die billigsten Schürzeln. Umändern kann ich sie selber, die sind alle ganz neu, die hat noch keiner getragen.« – »Pass nur auf, dass du nicht reinschneidest«, warnt der Alois sie leise. Aber Anni lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, schon gar nicht von ihrem Ehemann, und erwidert nur lakonisch: »Das seh’ ich schon, wenn ich ein Loch drinnen habe.«
    Schon über fünfzig Jahre sind Anni und Alois verheiratet. Und wie das so ist, wenn man sich tagein, tagaus sieht und miteinander lebt – gewöhnt man sich aneinander und entwickelt gemeinsame Gewohnheiten. Anni, die Quirlige, die Lebhafte – Alois, der Sanfte, Ruhige, Beschauliche, sie sind ein Paar, das grundverschieden ist, aber trotzdem gut miteinander auskommt. Nie enden ihre Gespräche im Streit. Sie führen eine Ehe, in der Humor und Gutmütigkeit wichtig sind, und sie werden sich gut vertragen, so lange bis der Erste von ihnen endgültig gehen muss.
    »Ich muss hundert Jahre alt werden, bis ich meine selbst genähten Schürzel alle auftragen kann«, hat sich die Anni ausgerechnet. Fast immer muss sie die geschenkten Sachen umnähen, weil sie kräftiger gebaut ist als die Vorgängerinnen. Die aufgetrennten Teile stückelt die Anni dann wieder von Neuem zusammen und wenn ihr der Ausgangsstoff nicht langt, dann näht sie halt einfach einen anderen Stoff mit anderem Muster in die neue Schürze rein. »Zwiefarbige Schürzel«, die hat sie gerade genug. Aber für den Werktag langen sie, erklärt die Anni pragmatisch. Und wenn eines bei der Arbeit ein Loch bekommt, dann wird es liebevoll geflickt, und zwar immer wieder.
    »Des mit dem Wegwerfen haben wir nicht gelernt«, erklärt die Anni ernst. Bei den Sigls, auf ihrem Einödhof, ist die Konsumgesellschaft noch nicht angekommen. So hat die Anni ihr Lieblingsschürzel für den Sommer schon über zehn Mal geflickt und inzwischen schaut es fast aus wie ein Gemälde von Hundertwasser – so kunterbunt ist es durch die Ausbesserei geworden. Jedes Mal, so beteuert die Anni, ist es das letzte Mal, dass sie dieses Schürzel flickt. Aber so recht glauben will man ihr nicht.
    An ihrer uralten Nähmaschine sitzt Anni in der bescheidenen Wohnstube und rettet mit dem Flicken ihr Weltverständnis. Von klein auf hat sie das Sparen lernen müssen. Erst wenn es gar nicht mehr anders ging, hat man Kleidung früher zusammengeschnitten und als Putzlumpen hergenommen. Warum bloß werfen die Leute heute so viel weg? Das ist für sie der Anfang vom Ende – angesichts von solcher Verschwendung muss sie fassungslos den Kopf schütteln.
    Anni ist im Krieg aufgewachsen. Essen und Kleider waren damals Mangelware. Das war zwar schlimm, aber weil es allen in ihrem Heimatdorf so erging, war es vielleicht etwas weniger tragisch als heutzutage ein Hartz-IV-Empfänger in Starnberg zu sein. Ihre Kommunion fiel mitten in den Krieg, wo selbst einfache Stoffe rar waren. Deshalb hat damals ihre Mutter das Kommunionkleid aus einem

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