Anschlag auf den Silberpfeil
Frisöse stützte die Ellbogen auf
die Tischplatte. Sie wirkte erschöpft, blies die Backen auf und atmete tief.
„Das hast du großartig gemacht“, lobte
Hauke. „Wirklich, Eva, Angelo wird stolz auf dich sein. Es war nötig, daß wir
diesem Schulzl-Müller jetzt einen Schnellschuß vor die Rübe ballern. Damit Glockners
Verdacht in andere Richtung gelenkt wird.“
„Hat meine Stimme gezittert?“
„Keine Spur. Du hattest den Charme
einer Politikerin. Wenn denen die Stimme zittert, dann höchstens vor Wut.“
Er sah auf die Uhr.
„Angelo und Otto müssen bald zurück
sein. Du wartest auf dem Vorplatz und fängst sie ab. Angelo soll Otto mitnehmen
— zu euch in die Wohnung. Ich will nicht, daß mein Neffe hier ist. Vielleicht
taucht dieser Bulle abermals auf, und Otto läuft ihm in die Arme. Nein! Otto
bummelt eben bis morgen früh durch die Stadt. Ist sein gutes Recht.“
Sie stand auf, zupfte ihren Rock
zurecht und sah in Haukes Wandspiegel, um ihr Make-up zu kontrollieren.
„Ich weiß gar nicht, Franz, was das
alles soll. Das Geld kriegen wir nie.“
„Denkst du.“
„Du glaubst doch nicht im Ernst, daß
die das Fach unbeaufsichtigt lassen.“
„Natürlich nicht. Es werden mindestens
zehn Kripo-Beamte, getarnt als Reisende, in der Halle herumlungern.“
„Und wie willst du die ausmanövrieren?“
„Indem ich zaubere.“
„Ach.“
„Es ist der Trick mit dem doppelten
Boden.“
„Ich verstehe kein Wort, Franz.“
„Nimm an, du wärst einer der
Kriminaler. Was tust du heute ab 23 Uhr?“
„Ich lasse das Schließfach nicht aus
den Augen.“
„Richtig. Aber welches?“
„Natürlich das, in dem das Geld ist.
Nr. 234.“
„Siehst du! Denn genau das ist der Fehler.
Du, Eva, wirst dich ein bißchen verkleiden. Hast ja Perücken genug. Und im
Gesicht kannst du malen wie Rembrandt. Dann gehst du mit einer großen, leeren
Falttasche los und…“
„Ich? Nie! Ich bin doch nicht
lebensmüde.“
„Hör erst mal zu. Du gehst zu dem
Schließfach Nr. 589, öffnest es, angelst ein bißchen, nimmst den Geldkoffer,
stülpst deine Falttasche drüber — beziehungsweise steckst ihn hinein — und
verläßt die Halle, ohne daß dich jemand daran hindert.“
„Aber das Geld befindet sich doch in
dem Fach 234!“
„Ja und nein. Erinnerst du dich an den
Bombenanschlag vor drei Monaten: als die Höllenmaschine in einem Schließfach
explodierte und alle Gehäuse in die Luft flogen.“
Sie nickte.
„Damals“, fuhr er fort, „wurden viele
Fächer erneuert. Wände wurden herausgesägt, ersetzt, ausgebessert, neu
verschweißt. Dabei ist der Pfusch passiert. Ich weiß es von einem Arbeiter, mit
dem ich damals bekannt war. Er war ziemlich blau, als er mir alles erzählt hat.“
„Pfusch?“ fragte sie. „Aber was hat das...“
„Ich zeig’s dir“, unterbrach er sie. „Hier!“
Er nahm zwei Zigarrenkisten, stellte
sie hochkant auf die Breitseite und Rücken an Rücken aneinander.
„Das, Eva, sind die beiden
Schließfachreihen. Die Rückseiten der Fächer berühren sich. Hier auf dieser
Seite — etwa an dieser Stelle — als oberstes Fach: das ist Nr. 234. Auf der
anderen Seite, also im Nebengang, berührt Nr. 589 mit der Rückseite Nr. 234.“
„Uiiih“, machte sie, und Spannung
breitete sich über ihr Gesicht.
„Nun der Trick, Eva: Beide Rückwände
sind locker. Locker verschweißt. Pfusch! Hätte jemand einen Koffer
hineingestoßen — mit Wucht an die Rückseite, wäre die rausgebrochen. Vorhin
habe ich mich — unauffällig, versteht sich — um unsere beiden Fächer gekümmert.
Sichtbar ist die Veränderung nicht. Aber die Rückseiten sind jetzt so wackelig
— sie stehen nur noch drin. Mit der Spitze deines Regenschirms kippst du die
Rückwände um. Auf dich zu! Und legst die Falttasche als Unterlage hin — damit die
Rückwände weich fallen und nicht poltern. Mit der Krücke deines Regenschirms
angelst du dir dann den Geldkoffer heran. Und schon ist die Sache gelaufen.“
„Zauberei!“ flüsterte sie. „Franz, du
bist spitze.“
Er lächelte geschmeichelt.
„589 ist verschlossen. Und den
Schlüssel, Eva, habe ich selbstverständlich hier.
*
Für Tim und seine Freunde war alles
klar.
Um nichts in der Welt würden sie heute
abend dem Hbf fernbleiben.
Für 22.30 Uhr verabredeten sie sich bei
Gaby.
Dann trennten sich die Wege.
Glockner und Krause hatten die
TKKG-Bande zum Präsidium mitgenommen, weil dort die Tretmühlen standen. Die
Sonderkommission war
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