Anschlag auf die Achterbahn
Rechtsprechung ist ein Täter erst schuldig,
nachdem seine Schuld hundertprozentig bewiesen wurde.«
Bei diesen Worten begannen Rita
Möllers Augenlider plötzlich zu flattern. Sie versuchte, mit aller Macht
dagegen anzukämpfen, und hoffte inbrünstig, dass es von niemandem der
Anwesenden bemerkt wurde. »Ich muss jetzt dringend eine Zigarette rauchen«,
lenkte sie deshalb geschickt ab und entnahm ihrer Handtasche die Schachtel.
»Wenn Sie keine Fragen mehr an mich hätten, würde ich gerne schon nach draußen
gehen. Oder haben Sie etwas dagegen?«
»Tun Sie sich keinen Zwang an,
Frau Möller«, antwortete Gabys Vater knapp. Dabei studierte er immer wieder
Stefans Verhalten, der noch immer ruhig auf dem Stuhl verharrte.
»Also, Werner«, Rita Möller
erhob sich und wandte sich zum Gehen. »Ich warte dann draußen auf dich. Und du,
Stefan...« Dabei tätschelte sie leicht seine Schulter, »Du solltest stolz auf
deinen Vater sein, dass er so großzügig ist, die Kaution zu stellen.
Hoffentlich bereut er es eines Tages nicht!«
Mit diesen Worten verließ sie
das Büro. Noch während sie die Treppen des Präsidiums heruntereilte, zog sie
ihr Handy aus der Tasche und tippte mit zittrigen Fingern eine Nummer ein. »Ich
bin’s, Gunnar-Liebling!«, hauchte sie nach wenigen Sekunden in den Hörer. »Bis
jetzt läuft alles wie am Schnürchen. Sein Sohn landet in der Untersuchungshaft.
Und wie vorausgesehen ist Werner bereit, die Kaution zu hinterlegen. Von nun an
heißt es: durchhalten und weitermachen! Ich kann es regelrecht schon fühlen,
dass wir beide bald sehr reich sein werden!«
8. Endspurt
Rita Möller hatte eine Freundin
namens Ilse Walther, die sie schon vor vielen Jahren in der Millionenstadt
kennen- und schätzengelernt hatte. Ilse Walther war die Frau eines reichen
Unternehmers, der im Besitz einer bekannten Drogeriekette war. Eine
Eigenschaft, die beide Frauen besaßen, schweißte sie immens zusammen: die
Einstellung zu ihren Ehemännern. Denn Rita Möller und Ilse Walther hatten sich
nur auf die Vermählung eingelassen, da ihre Partner sehr vermögend waren. Ihre
erste Amtshandlung nach der Heirat war gewesen, sofort die Jobs zu kündigen, um
von nun an nur noch dem süßen Leben als Ehefrau zu frönen. Arbeiten kam für die
beiden Damen nicht mehr infrage; das sollten gefälligst ihre Männer tun.
Heute feierte Ilse Walther
ihren 38. Geburtstag. Deshalb trafen sich die beiden Freundinnen am Abend in
dem Wurst-Palast, einer Fress- und Saufbude neben dem Kettenkarussell. Dort
stießen sie gemeinsam mit einer Flasche Champagner an. Zurückgezogen in einer
der hinteren Ecken prosteten sich die beiden zu.
»Auf dich, Ilse!«, ließ Rita
Möller verlauten und fügte dann leiser hinzu: »Werner ist natürlich der
Meinung, dass wir beiden uns heute Abend treffen, um über Kleider, Schuhe,
Schmuck und Schminke zu labern. Was meinst du, was der für ein dämliches
Gesicht machen würde, wenn er wüsste, um was es wirklich geht!«
Ilse Walther leerte ihr Glas in
einem Zug und schenkte sich aus der Flasche, die vor ihnen in einem
Champagnerkübel steckte, sogleich ein zweites Glas ein. »Wir müssen die ganze
Sache noch einmal von vorn bis hinten durchsprechen, damit es beim Endspurt
bloß nicht zu einer Panne kommt.«
»Deshalb sind wir ja hier«,
entgegnete Rita Möller trocken. »Also hör zu: Wie geplant ist Stefan vor etwa
einer Stunde in Untersuchungshaft gelandet. Heute Nacht darf er sich die
Gefängniszelle von innen ansehen. Ich verhehle nicht, dass mich dieser Gedanke
mit Genugtuung erfüllt. Es gibt also quasi zwei Gründe zum Anstoßen.«
Demonstrativ nippte sie dabei an ihrem Sektglas. »Die Sache kann gar nicht mehr
schiefgehen. Werner ist entschlossen, morgen die Summe für die Kaution zu
stellen, um seinen Sohn wieder aus dem Knast zu holen. Und das wird er für den
Rest seiner Tage noch bereuen!«
»Eins habe ich aber immer noch
nicht begriffen«, hinterfragte Ilse Walther mit einem skeptischen Gesicht. »Es
würde doch vollkommen ausreichen, wenn Werner die Erpressersumme zahlt. Warum
willst du den beiden denn noch einen zusätzlichen Denkzettel verpassen? Und vor
allem einen so heftigen?«
»Das kann ich dir erklären.«
Nun schenkte sich auch Rita Möller noch ein zweites Glas ein. »Seit meiner Ehe
kriege ich von den beiden ständig zu spüren, dass ich nur die Dritte im Bunde
bin. Stefan wird von seinem Vater nonstop verwöhnt — vor allem was die
finanzielle Seite betrifft. Für
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