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Ansichten eines Clowns

Ansichten eines Clowns

Titel: Ansichten eines Clowns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Ich erzählte ihr nichts von der Polizei.
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    Ich überlegte, ob ich das Badewasser noch ein zweites Mal aufbessern sollte. Aber es war verbraucht, ich spürte, daß ich raus mußte. Das Bad hatte meinem Knie nicht gut getan, es war wieder geschwollen und fast steif. Als ich aus der Wanne stieg, rutschte ich aus und fiel beinahe auf die schönen Kacheln. Ich wollte Zohnerer sofort anrufen und ihm vorschlagen, mich in eine Artistengruppe zu vermitteln. Ich trocknete mich ab, steckte mir eine Zigarette an und betrachtete mich im Spiegel: ich war mager geworden. Beim Klingeln des Telefons hoffte ich einen Augenblick lang, es könnte Marie sein. Aber es war nicht ihr Klingeln. Es hätte Leo sein können. Ich humpelte ins Wohnzimmer, nahm den Hörer auf und sagte: »Hallo.«
    »Oh«, sagte Sommerwilds Stimme, »ich habe Sie doch hoffentlich nicht bei einem doppelten Salto gestört.«
    »Ich bin kein Artist«, sagte ich wütend, »sondern ein Clown ~ das ist ein
    Unterschied, mindestens so erheblich wie zwischen Jesuiten und Dominikanern - und wenn hier irgend etwas Doppeltes geschieht, dann höchstens ein Doppelmord.«
    Er lachte. »Schnier, Schnier«, sagte er, »ich mache mir ernsthaft Sorgen um Sie.
    Sie sind wohl nach Bonn gekommen, um uns allen telefonisch Feindschaft
    anzusagen?«
    »Habe ich Sie etwa angerufen«, sagte ich, »oder Sie mich?«
    »Ach«, sagte er, »kommt es wirklich so sehr darauf an?«
    Ich schwieg. »Ich weiß sehr wohl«, sagte er, »daß Sie mich nicht mögen, es wird Sie überraschen, ich mag Sie, und Sie werden mir das Recht zugestehen müssen, gewisse Ordnungen, an die ich glaube und die ich vertrete, durchzusetzen.«
    »Notfalls mit Gewalt«, sagte ich.
    »Nein«, sagte er, seine Stimme klang klar, »nein, nicht mit Gewalt, aber
    nachdrücklich, so wie es die Person, um die es geht, erwarten darf.«
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    »Warum sagen Sie Person und nicht Marie?« »Weil mir daran liegt, die Sache so
    objektiv wie nur möglich zu halten.«
    »Das ist Ihr großer Fehler, Prälat«, sagte ich, »die Sache ist so subjektiv, wie sie nur sein kann.«
    Mir war kalt im Bademantel, meine Zigarette war feucht geworden und brannte
    nicht richtig. »Ich bringe nicht nur Sie, auch Züpfner um, wenn Marie nicht
    zurückkommt.«
    »Ach Gott«, sagte er ärgerlich, »lassen Sie Heribert doch aus dem Spiel.«
    »Sie sind witzig«, sagte ich, »irgendeiner nimmt mir meine Frau weg, und
    ausgerechnet den soll ich aus dem Spiel lassen.«
    »Er ist nicht irgendeiner, Fräulein Derkum war nicht Ihre Frau — und er hat sie Ihnen nicht weggenommen, sondern sie ist gegangen.«
    »Vollkommen freiwillig, was?«
    »Ja«, sagte er, »vollkommen freiwillig, wenn auch möglicherweise im Widerstreit zwischen Natur und Übernatur.«
    »Ach«, sagte ich, »wo ist denn da die Übernatur?«
    »Schnier«, sagte er ärgerlich, »ich glaube trotz allem, daß Sie ein guter Clown sind
    - aber von Theologie verstehen Sie nichts.«
    »Soviel verstehe ich aber davon«, sagte ich, »daß Ihr Katholiken einem
    Ungläubigen wie mir gegenüber so hart seid wie die Juden gegenüber den Christen, die Christen gegenüber den Heiden. Ich höre immer nur: Gesetz, Theologie — und das alles im Grunde genommen nur wegen eines idiotischen Fetzens Papier, den der Staat — der Staat ausstellen muß.«
    »Sie verwechseln Anlaß und Ursache«, sagte er, »ich verstehe Sie, Schnier«, sagte er, »ich verstehe Sie.«
    »Sie verstehen gar nichts«, sagte ich, »und die Folge wird ein doppelter Ehebruch sein. Der, den Marie begeht, indem sie euren Heribert heiratet, dann den zweiten, den sie begeht, indem sie eines Tages mit mir wieder von dannen zieht. Ich
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    bin wohl nicht feinsinnig und nicht Künstler, vor allem nicht christlich genug, als daß ein Prälat zu mir sagen würde: Schnier, hätten Sie's doch beim Konkubinat
    gelassen.«
    »Sie verkennen den theologischen Kern des Unterschieds zwischen Ihrem Fall und dem, über den wir damals stritten.«
    »Welchen Unterschied?« fragte ich, »wohl den, daß Besewitz sensibler ist - und für euren Verein eine wichtige Glaubenslokomotive?«
    »Nein«, er lachte tatsächlich. »Nein. Der Unterschied ist ein kirchenrechtlicher. B.
    lebte mit einer geschiedenen Frau zusammen, die er gar nicht kirchlich hätte heiraten können, während Sie - nun, Fräulein Derkum war nicht geschieden, und einer Trauung stand nichts im Wege.«
    »Ich war bereit zu unterschreiben«, sagte ich, »sogar zu konvertieren.«
    »Auf

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