Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Titel: Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
Vom Netzwerk:
danke, danke sehr.«
    Als ich das gelesen habe, musste ich sofort an meinen Lieblingslyriker Robert Gernhardt denken, außerdem an den postdadaistischen Stil des berühmten Theaterregisseurs Christoph Marthaler.
    Inzwischen ist herausgekommen, dass Rummenigge dieses meiner Ansicht nach nahezu geniale Gedicht im Internet gefunden hat, und zwar auf der Homepage der Auftragsdichterin Anette Pfeiffer-Klärle aus Rödermark. Zur Genese ihres jetzt berühmtesten Werkes gibt die Autorin zu Protokoll, sie habe es »nach ein paar Bier« verfasst. Viele literarische Werke entstehen so!
    Frau Pfeiffer-Klärle hat Rummenigge auf tausend Euro Schadenersatz verklagt, er zahlte auch. Normalerweise kostet ihre Lyrik neunzig Euro pro Stück, plus zwanzig Euro Expresszuschlag, falls das Gedicht in weniger als achtundvierzig Stunden fertig sein soll.
    Auf Anette Pfeiffer-Klärles Homepage apk-gedichte.de  – die Abkürzung steht für »außergewöhnlich, persönlich, kompetent« –, die ich natürlich sofort aufgesucht habe, sieht man eine brünette, patent dreinschauende Person von etwa vierzig Jahren, die als erlernten Beruf »Fachinformatikerin« angibt. Bei Anette Pfeiffer-Klärle kann man sich zu jedem Anlass was dichten lassen, auch zu so speziellen Ereignissen wie »Kupferne Hochzeit« oder »Zwanzigjähriges Jubiläum« von was auch immer.
    Ich habe offenbar eine neue Lieblingslyrikerin. Hier Auszüge eines Gedichts, welches von einer Patentante zur Geburt eines lang erwarteten Babys vorgetragen wurde, möglicherweise direkt am Kindbett:
    »Zwölf Jahre lang habt ihr’s versucht,
habt bestimmt auch mal geflucht.
Am Eisprung schnell Geschlechtsverkehr,
wie oft kam Kurt vom Bauplatz her?«
    Frau Pfeiffer-Klärle bietet, falls Kurt oder seine Partnerin eines Tages doch die Geduld verlieren sollte, auch »Trennungsgedichte« in vier Gefühlsvariationen an, »dankbar«, »verzweifelt«, »wütend« und »verzeihend«. Die »verzeihende Trennung« geht beispielsweise so:
    »Danke, ich weiß, du musstest gehn.
Tut es auch weh: Ich kann’s verstehn.«
    Politische Lyrik schreibt sie auch, etwa zum Weltfrauentag, wo sie sich von der oft allzu selbstmitleidigen Position des traditionellen Feminismus verabschiedet:
    »Noch immer gibt es heute Frauen,
die sich selber gar nichts trauen.«
    Weil ich den Reim von »Geschlechtsverkehr« auf »vom Bauplatz her« für in der Geschichte der modernen Liebeslyrik beispiellos mutig halte – in Gottfried Benns Gedicht O Nacht reimt sich einmal »kleines Rammeln« auf »Donner sammeln«, Elisabeth Langgässer reimt »Knie, Schenkel« auf »verruchter Enkel«, aber was ist das schon gegen »Bauplatz«? –, habe ich besonders erwartungsfroh die »erotischen Gedichte« angeklickt. Dort steht aber nur das Folgende: »Auch erotische Aufträge habe ich schon zur großen Zufriedenheit meiner Kunden hinbekommen. Leider konnte ich noch keinen einzigen Kunden davon überzeugen, ein erotisches persönliches Gedicht hier aufzuführen. Nun, das kann ich verstehen.«

Über Mainstream
    Deutschland hat bei der Weltmeisterschaft schönen Fußball gespielt. Die Voraussage, Südafrika sei der Organisation einer solchen Veranstaltung nicht gewachsen, war falsch. Es ist lustig, dass ein Tintenfisch alle Spielergebnisse, nach denen er gefragt wurde, richtig voraussagen konnte. Der lange Schatten des Dopingverdachtes wird vom Profiradsport so bald nicht weichen. Ob der Bildungsföderalismus noch zeitgemäß ist, darüber sollte man zumindest einmal diskutieren. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass es in Deutschland so viele oder immer mehr Kinder ohne einen qualifizierten Schulabschluss gibt.
    Auch für Jörg Kachelmann gilt die Unschuldsvermutung.
    Christian Wulff verdient eine faire Chance, womöglich wird er ein sehr guter Bundespräsident. Angela Merkel muss aus der Deckung heraus, sie muss zeigen, wofür sie steht. Und wogegen. Israel muss damit aufhören, jede Kritik, auch die Kritik bewährter Freunde, reflexartig abzublocken, das ist nicht klug. In einer Koalition gibt es immer Konflikte, aber es muss auch einen Vorrat an Gemeinsamkeiten geben, die nicht ständig hinterfragt werden. Mittelfristig kommen wir nicht darum herum, unsere Energieversorgung vom Öl abzukoppeln. Migranten sollten das Gefühl vermittelt bekommen, in unserer Gesellschaft willkommen zu sein, nur dann wächst ihre Bereitschaft, sich zu integrieren. Wir dürfen verlangen, dass unsere Gesetze und unser Grundgesetz respektiert

Weitere Kostenlose Bücher