Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme
musste und würde die Tür öffnen. Genau auf seiner Augenhöhe klebte ich den Zettel an die Tür. Ich schrieb mit rotem Filzstift. Er hat die Tür geöffnet und den Zettel nicht gelesen.
Die Theorie lautet, dass man sich immer über die eigenen Fehler besonders stark aufregt, sobald man sie bei anderen beobachtet.
Wer oft und heftig über Unzuverlässigkeit klagt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit selber unzuverlässig. Wer sich über Geiz aufregt, ist meist geizig. Unhöfliche meckern über Unhöflichkeit, Rücksichtslose über Rücksichtslosigkeit, Intriganten leiden unter dem Intrigantentum ihrer Umwelt, Aggressive brüllen: »Jetzt sei doch mal nicht so aggressiv, ey!« Kommunikationsverweigerer schreiben Glossen über die Kommunikationsverweigerung anderer und so weiter. Wenn man darüber nachdenkt, fallen einem sofort Dutzende von Beispielen ein, bei denen die Theorie stimmt. Falls man danach an sich selber und die eigenen Phobien denkt, wird einem ganz anders.
Als Al Gore, der Nobelpreisträger und berühmte Warner vor der Klimakatastrophe, im Januar 2004 in New York eine Rede über die Erwärmung des Weltklimas hielt, wurde in New York ein neuer Kälterekord aufgestellt, an genau diesem Tag. Im selben Jahr hielt Gore auch eine große Rede in Boston, dies war der kälteste Tag, den Boston seit 1957 erlebt hat.
Im November 2006 trat Gore in Australien auf, es schneite, im australischen Frühsommer, eine Klimasensation. 2007, im März, löste eine Al-Gore-Rede in Washington extreme Schneestürme aus, es schneite auch heftig bei dem Gore-Besuch in London, zum ersten Mal seit 1922 gab es in London Schnee im Oktober. Als Gore aber 2007 in Harvard auftrat, war dies dort der kälteste Oktobertag seit sogar hundertfünfundzwanzig Jahren.
2008 ging ein Gore-Besuch in Mailand mit Kälterekorden einher, und als Gore bei einer Anti-Erwärmungsklimakonferenz in Peru weilte, gab es dort sogar Kältetote. Im Mai.
Seit einiger Zeit spricht man deshalb in der Welt der Wissenschaft vom »Gore-Effekt«, welcher eine starke, plötzliche, lokal begrenzte Abkühlung des Klimas bewirkt, sobald der Erwärmungsprophet Al Gore in der Nähe ist. Den Begriff »Gore-Effekt« verwendet man halb ironisch, aber nicht ganz ironisch, denn auffällig ist es ja schon. Andere sagen, der »Gore-Effekt« sei ein Beweis dafür, dass die Natur, möglicherweise sogar Gott, über Humor verfüge.
Oder regt sich Al Gore deswegen so sehr über Klimaveränderungen durch andere auf, weil er selber welche auslöst?
Über Kopftücher
Was ist eigentlich der umstrittenste Artikel gewesen, den ich in letzter Zeit geschrieben habe? Ich habe den Islam verteidigt. In dem Artikel stand sinngemäß, dass man in einem freien Land auch das Recht besitzen sollte, Muslim zu sein. Man darf ja auch Leistungssport betreiben, obwohl es ungesund und gefährlich ist. Prostitution ist ebenfalls erlaubt. Ist die Prostitution denn wirklich so viel besser als der Islam?
Außerdem kann man nicht alles verbieten. Wenn sie heute den Islam verbieten, dann verbieten sie morgen womöglich den Alkohol, und das will ich nicht.
Echt, viel mehr habe ich nicht gesagt. Es war nicht gerade der tiefgründigste Text meines Lebens. Solch eine Fatwa an bösartigen Zuschriften aber hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht bekommen. Wenn es dir bei uns nicht gefällt, dann geh doch nach Mekka! Sogar Henryk M. Broder schrieb eine flammende Entgegnung – kein Witz, das ist wirklich passiert.
Ein paar Wochen danach ging ich in die Humboldt-Uni zu einem Vortrag des FAZ- Feuilletonchefs. Ich dachte, als Verteidiger des Islam habe ich ein Thema gefunden, bei dem ich das Monopol besitze und die kulturelle Hegemonie, ich werde Skandalautor. Ein Mann meines Alters kann ja wohl kaum mit sexuellen Themen zum Skandalautor avancieren, so was will man nur von knusprigen jungen Frauen lesen. Aber die FAZ ist inzwischen leider auf dem gleichen Trip. Der FAZ- Feuilletonchef sagte in seinem Vortrag, dass in allen Religionen nun einmal Ideen vorkämen, die dem Geiste des Grundgesetzes widersprächen. Wenn eine Frau erkläre, dass sie sich dem Mann unterordnen wolle, denn dies sei Gottes Wille, dann solle sie das halt machen. Im Saal saßen zahlreiche junge Frauen mit Kopftuch, die sehr gut Deutsch sprachen, offenbar Studentinnen.
Am nächsten Tag telefonierte ich mit einer alten Freundin. Sie ist links und Feministin. O ja, einige meiner besten Freundinnen sind Feministinnen! Ich erzählte über die
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