Antiheld (German Edition)
Fritte an den Kopf.
Er starrt regungslos auf das Tablett und taucht seinen Finger in die Mayonnaise. «Warum dann?»
«Weil es einfach geil ist, wem die Fresse zu polieren», sage ich, beiße ein letztes Mal in den Burger und zünde mir eine Kippe an.
«Was hat er denn zu euch gesagt?»
«Der Typ hat die Fresse aufgerissen und gemeint, wir sollten uns gefälligst benehmen ! Wir haben geantwortet, er solle lieber mal sein Maul halten. Hat er nicht. Also haben wir ihn plattgemacht !»
Finns Augen beginnen zu leuchten. «Geil», sagt er, «einfach nur geil! »
Einer der Weißhemden vom Burgerland kommt an den Tisch. «Entschuldigen Sie, aber das Rauchen ist hier leider verboten», sagt er freundlich und grinst blöde in die Runde. Ich ziehe an der Kippe und blase den Qualm genau in seine Richtung.
«Das tut mir schrecklich leid», antworte ich schnell und stehe auf, um den Namen des Typen auf dem Plastikschild an seiner Uniform zu entziffern. «Herr Kanakogulus, ich wollte natürlich nicht gegen Ihre Gesetze v erstoßen.»
«Der Name ist Sariano », entgegnet das Weißhemd souverän und räuspert sich. «Ich möchte Sie freundlich darum bitten, die Zigarette auszumachen.»
Ich nicke erstaunt, setze mich wieder und ziehe unschuldig die Augenbrauen nach oben. «Selbstverständlich, Herr Ziganovic ! Ist das hier Ihre Aufgabe? Freundlich für Recht und Ordnung sorgen?»
«Persönlich kann ich nichts dafür», antwortet das Weißhemd im Lass-uns-Freunde-sein-Modus und ignoriert die nächste falsche Anrede einfach. «Ich bin selber Raucher. Verstehen Sie mich nicht falsch. Es steht einfach in der Hausordnung, und an die müssen wir uns halten.»
«Es steht also in der Hausordnung », wiederhole ich und schüttle verwundert den Kopf. «Ich meine, ich weiß, du möchtest mir erzählen, das ist dein Job und du erledigst nur deine Pflicht. Das funktioniert allerdings nur, solange wir auf Augenhöhe sind. Verstehste, was ich meine? »
Das Weißhemd zwingt sich zu einem freundlichen Lächeln und macht eine abschließende Geste mit der Hand. Wahrscheinlich denkt er, die Angelegenheit ist erledigt.
Ich räuspere mich. «Für dich Schafficker also noch mal ganz ausdrücklich: Du bist ein dummer Kanake mit Hauptschulabschluss, der uns das Fressen serviert, weil er keinen besseren Job bekommen hat! Und genau deswegen kann ich dich nicht ernst nehmen. Klar soweit, Ali Baba ?»
Der Typ dreht sich um und sieht uns schweigend an. Es scheint, als wären seine Muskeln in den soeben verstrichenen Sekunden um das Doppelte gewachsen. Er beißt sich auf die Unterlippe. Kein Verlust der Kohäsion des Selbst. Nur seine Augenlider zucken noch, als er den entscheidenden, überlegten Schritt zurück macht.
Ich drücke die Kippe im Burger aus. Es zischt, als die Glut im Sesambrötchen versinkt. Provozierend langsam erhebe ich mich aus der Sitzecke und steche mit meinem Zeigefinger auf das Schild an der Uniform. Direkt aufs Herz.
«Da muss der kleine Kanake sein Maul halten, was?»
Es ist nicht mehr als ein Flüstern, doch der Satz hallt lange nach. Die Wahrheit tut immer weh . Man spürt, wie sich die Spannung im Raum verdichtet. An den anderen Tischen spricht keiner mehr.
«Komm schon, schlag mir eine rein. Voll eins in die Fresse . Richtig reinlangen in die Visage!»
Wir stehen uns direkt gegenüber. Das Weißhemd holt tief Luft. Ich lasse unauffällig meine Hand in die Jackentasche gleiten. Als ich das kalte Metall des Totschlägers spüre, balle ich die Faust.
«Gibt es Ärger, Herr Sariano?»
Der fette Typ mit der Neandertalerstirn und den Schweißflecken am Hemd taucht aus dem Nichts auf. Er wirkt vollkommen deplatziert, wie die Parodie eines Vorgesetzten.
«Wir haben doch hier keinen Ärger !», grinse ich und schnalze mit der Zunge.
Das Weißhemd starrt ausdruckslos an seinem Vorgesetzten vorbei. «Nein, es gibt keinen Ärger. Alles in Ordnung», sagt er leise, dreht sich um und verlässt mit großen Schritten den Laden.
«Gnade!», zische ich noch und setze mich wieder an den Tisch.
Tagebuch Nimkin
Ich schreibe, während ich auf den Unterricht warte. Ich sitze in einer dieser neuen Billigbäckereien, trinke beschissenen Automatenkaffee und beobachte einfach nur den Menschenstrom, der am Schaufenster vorbeirauscht. Langsame, dumme Menschen.
Um jegliche Konversation mit diesen Zombies zu vermeiden, habe ich meinen iPod voll aufgedreht. Schweigen ist Rebellion gegen das System, an dem ich schlussendlich teilnehmen
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