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Antiheld (German Edition)

Antiheld (German Edition)

Titel: Antiheld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stiff Chainey
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Schuldeingeständnis befinden.
    Ich versichere mich, dass er auch ja schön jede Regung beobachtet, dann sehe ich auf den Boden, um Verlegenheit zu demonstrieren und wispere: «Es geht mir um etwas ganz anderes!»

    Da ist nichts mehr übrig von all seiner hart erlernten Coolness. Ganz klein und schwach sieht er aus, wie er so vor mir steht, die Hände ineinander verschränkt, als würde er beten. Wirkt so zart und verletzlich, und ich denke, dass er sich das einfach nicht eingestehen kann. Dass er seine Gefühle leugnet, sich lieber selbst belügt, als die Wahrheit in sich anzunehmen.

    «Ich würde mich ganz gerne mit Ihnen … über meine Lebenssituation unterhalten …»
    Endlich bewegt er sich aus seinem lächerlichen Versteck, und seine Fresse erscheint in voller Gänze.
    «Wie soll ich das verstehen, Andor? Zuerst schlägst du mich, beleidigst mich – und jetzt soll ich dir helfen? Wie passt das zusammen?»
    Dieser Besserwisserton, noch dazu aus seiner klassischen Lehrervisage, treibt mich natürlich fast zu einem Anfall rasender Weißglut, den ich aber gekonnt mit einem nicht zu aufgesetzt wirkenden Lächeln überspiele.
    «Ich weiß auch nicht. Vielleicht … vielleicht … also, ich denke, ich sollte mich erst mal bei Ihnen entschuldigen. Ja, klar weiß ich, was Sie jetzt denken: Das ist alles wieder nur Show, der redet einfach nur so daher, das hat er ja schon mal getan, und das, obwohl Sie mir schon eine zweite Chance gegeben haben. Das ist es, was Sie wahrscheinlich denken, und, das muss ich zugeben, genau dasselbe würde ich auch denken, wenn ich Sie wäre. Aber so ist es nicht. Für mich ist das auch nicht einfach, Herr Hillemann. Ich meine, ich habe sonst niemanden, mit dem ich darüber reden kann, und ich meine wirklich reden. Können Sie das nachvollziehen?»
    Ich lasse diese wohl gewählten Worte wirken, und für den Moment scheint es, als hätte ich ihn aus der Fassung gebracht. Er räuspert sich.

    Vielleicht ist es das tatsächlich, denke ich, vielleicht liegt es daran, dass tatsächlich niemand mit dir redet, dass niemand dich ernst nimmt mit deinen Wünschen und deinen Träumen. Dein Vater, der dich vernachlässigt, der nur seine Pflichten kennt und dir nur mit Kälte begegnet. Deine Mutter, die gestorben ist. Sie hätten mehr Liebe in dein Herz pflanzen sollen.

    Dieser Trottel sieht mich mit genau dem gleichen seltsamen Grinsen an, das ich von meinem Vater kenne. Oh, natürlich! Er grinst da so unverschämt selbstverliebt in sich rein, als sei auch ich einer seiner Großstadtindianer , als sei auch ich eine vernachlässigte Kinderladengöre, deren Scheiße bereits an seiner Schwanzspitze geklebt hat.
    Ich verdränge diese Bilder und ich verdränge das Bild von Hillemanns Schwanz im Mund meiner Schwester und sage mit feierlicher Stimme: «Hiermit entschuldige ich mich für mein Verhalten Ihnen gegenüber. Es tut mir sehr leid, aber ich weiß wirklich nicht, wie es so weit kommen konnte. Vielleicht liegt es irgendwie an mir oder an der Situation mit meiner Familie!»
    Es ist ein Meisterwerk in Vollendung, so gut, so authentisch, dass es mir das Arschloch zusammenzieht.
    Und ja, da sehe ich es schon, dieses joviale Lächeln, das sich in sein Gesicht schraubt und das er nur aufsetzt, um sich nichts anmerken zu lassen. Doch dann kann er nicht widerstehen und öffnet die Tür etwas mehr.
    «Ich nehme die Entschuldigung an, Andor, weil ich glaube zu wissen, dass auch du Liebe und Selbstkompetenz noch erlernen kannst», sagt er, dann hakt er nach: «Und welche Situation in deiner Familie?»
    Ich tue so, als würde es mich unheimlich Überwindung kosten, ihm dieses Geheimnis anzuvertrauen, und schenke ihm den betroffensten Blick, zu dem ich fähig bin.
    «Ach, wissen Sie, Herr Hillemann … alles irgendwie zerfahren. Meinungsverschiedenheiten mit meinem Vater, dann diese Probleme mit meiner Schwester …»
    Bei den Wörtern Probleme und Schwester zuckt er zusammen. Er räuspert sich. «Vanessa hat Probleme?» Hillemann schiebt den Kopf aus dem Spalt und blinzelt mit den Augen. «Davon habe ich während der Nachhilfe nichts mitbekommen.»
    Ich senke den Blick und murmele: «Haben Sie nichts bemerkt?»
    «Nein!», erwidert er und starrt mich schockiert an.
    Eine Pause entsteht, in der wir beide schweigen.
    «Das … das musst du mir erzählen! Ich trage ja auch eine gewisse Verantwortung», sagt er schließlich und öffnet die Tür mit einer theatralischen Bewegung.
    Ich nicke verständnisvoll. «Ja,

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