Antiheld - Thriller (German Edition)
gewesen wäre, ihn mit nur einem Arm in die Höhe zu hieven. Ohne den Blick auch nur ein einziges Mal abzuwenden, bewegte er sich allmählich auf die Tür zu. Er wollte schon hinaus treten, als ihm noch etwas einfiel.
»Judy, ich wollte Ihnen noch etwas sagen.«
Irritiert, dennoch darauf bedacht es keinesfalls zu zeigen, erhob sie eine Braue. »Ja?«
Andrew wandte seine Augen in ihre Richtung. Sein dünnes Haar klebte ihm am Kopf fest. Regentropfen liefen ihm die Schläfen entlang, wobei auch inzwischen seine Brille beschlagen war. Dennoch erkannte Judy dahinter die traurig drein blickenden grauen Augen. »Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass ich von einer wütenden Prostituierten verfolgt werde.«
Sein Gegenüber wusste mit dieser Tatsache nur wenig anzufan gen. Stattdessen verlagerte sie ihr Gewicht auf nur ein Bein und verschränkte beide Arme vor der Brust.
»So!?«
»Sagen Sie mir einfach, dass Sie mir Glauben schenken!«, sagte er müde, den Rücken dabei wie bei einem alten Mann gekrümmt. »Bitte, ich brauche die Bestätigung, dass Sie mich nicht für irgend einen Perversen halten, der freiwillig solche Läden aufsucht.«
Judys Irritation stieg zunehmend. »Sie haben ein ganz schönes Problem, wissen Sie das!?«
Seit ihrer Begegnung mit Andrew registrierte sie den Hauch eines Lächelns um seine Mundwinkel herum. Es machte ihn keineswegs attraktiver, dafür aber ließ es ihn jünger und ein klein wenig frischer erscheinen. »Ja, das weiß ich. Dennoch ...«, sagte er, wo bei seine Worte in Melancholie versanken. »Es wäre mir ernsthaft wichtig.«
Judys Reaktion bestand aus einem zögernden Kopfschütteln. Nichtsdestotrotz gab sie seiner Bitte nach. »Ich glaube Ihnen«, meinte sie, auch wenn ihr Gesichtsausdruck etwas anderes aus drückte. Schließlich sollte man einem Verrückten keinen Wunsch abschlagen. Unter anderem beriet ihr dieser Knilch immer mehr Unbehagen, weswegen sie ihn so schnell wie möglich hier raus haben wollte.
Auch Andrew war diese Tatsache bewusst. Ebenfalls wusste er, dass Judy nicht die Wahrheit sprach, aber beruhigte ihn ihre Lüge immerhin ein wenig. »Danke.« Ihm war anzumerken, dass er es wenigstens ernst meinte. »Auch möchte ich mich dafür bedanken, dass ich hier verweilen durfte.« Seine Augen richteten sich nach draußen gen Himmel. Der Regen hatte mittlerweile nachgelassen. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich Sie wieder verlasse.«
Nachdenklich sah er an sich hinab. Er war vollkommen durch nässt. Zu Hause angekommen würde er erst einmal aus den nassen Klamotten steigen und unter die heiße Dusche springen.
»Sie werden es wohl nie Leid, was!?«
Verwundert sah Andrew auf. »Was denn?«
»Dieses hochtrabende Schwafeln. Also, dass Sie Lehrer sind, habe ich zu keinem Zeitpunkt bezweifelt.«
Zwar wusste Andrew nicht, ob Judy überhaupt jemals einer Lehrkraft gegenüber stand, doch tat er ihr nun auch einen Gefal len, indem er einfach nickte. »Natürlich.«
»Machen Sie es gut!«, meinte Judy, schon erheblich heiterer, als noch vor einigen Augenblicken. »Und ehe ich es vergesse, grüßen Sie Ihre Frau von mir.«
Andrew, der bereits im Begriff war durch die Schwelle zu treten, versuchte unter all den widerwärtigen Aromen, den des Anzuges herauszufiltern, um ihn noch einmal inhalieren zu können. Erst dann glaubte er die nötige Kraft zu besitzen, Judy Antwort zu stehen. »Ich führe keine Beziehung. Wie bereits erklärt, war die Frau, die mich verfolgte eine wütende Prostituierte. Außerdem ...« Er brach mitten im Satz ab. Einerseits, weil ihm einfach die Kraft fehlte, sich weiter mit dieser törichten Person herumzuschlagen, andererseits, da er wusste, dass es sowieso keinen Sinn hatte. Sie würde ihm ohnehin nicht glauben. »Wie auch immer. Es ist schon spät und ich muss noch einige Hausaufgaben korrigieren. Also ...« Er zuckte die Schultern. »Denke ich, wäre es das Beste sich an dieser Stelle von Ihnen zu verabschieden.«
Judy nickte, sichtlich erleichtert. Womöglich hätte sie sich sonst ihrer Schrotflinte bemächtigen müssen. Gut, dies war vielleicht etwas übertrieben, doch ging es hier wirklich schon mal wie im wilden Westen zu. »Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend, Andrew.«
»Gleichfalls ...« Er zögerte, da er sich erst noch ihren Namen wieder in Erinnerung rufen musste. »Judy.«
»Ich bin mir sicher, dass Ihre kleine Freundin mittlerweile das Weite gesucht hat.«
Das hoffte Andrew. Für eine weitere Begegnung mit
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