Antrag nach Mitternacht
Schauer war ihr über den Rücken gelaufen, und sie hatte sich nach mehr gesehnt.
Hätte sie damals Rochford geheiratet, wäre sie jetzt vermutlich von einem Schwarm Kinder umgeben und würde von ihrem Ehemann verehrt, ja, vielleicht sogar geliebt werden. Vielleicht wäre sie jetzt glücklich.
Eine Träne lief ihr über die Wange, sie schlug die Augen auf und tupfte diese ab. Wie dumm sie war! Sie war kein achtzehnjähriges Mädchen mehr, das sich von romantischen Schwärmereien mitreißen ließ. In Wahrheit wäre ihre Ehe mit Rochford auch bei einem Haus voller Kinder sehr wahrscheinlich unglücklich gewesen.
Wenn sie bei seinen Küssen aufregende Gefühle verspürt hatte, dann nur, weil ihr damals nicht bewusst war, was den Küssen und Umarmungen folgen würde. Die Verlockungen hätten gewiss ein jähes Ende gefunden, in dem Augenblick, wo sie mit der ernüchternden Wirklichkeit des ehelichen Akts konfrontiert worden wäre. Auch mit dem Duke als Ehemann hätte es keinen Unterschied gemacht. Der hätte lediglich darin bestanden, dass nicht Andrew, sondern er fluchend das Ehebett verlassen und sie als Eiskönigin bezeichnet hätte.
Ein grimmiges Lächeln umspielte ihre Lippen. Der Duke hatte sie zwar leiden können, dennoch war es albern, sich einzureden, dass sie über die Jahre hinweg seine Liebe gewonnen hätte. Natürlich wäre sein Verhalten ehrbarer gewesen als das von Haughston, er hätte sie nicht beschimpft und ihr seine Gespielinnen vorgestellt. Aber ihm wäre das Ehebett ganz sicher ähnlich freudlos erschienen wie ihrem Mann. Und auch ihm wären seine Gefühle für sie abhandengekommen, sobald er gemerkt hätte, dass sie nicht mit dem gleichen Eifer dabei gewesen wäre. Und wie viel von ihrer Liebe zu ihm wäre noch geblieben, wenn er Nacht für Nacht in sie eingedrungen wäre, während sie dalag und hoffte, dass es diesmal vielleicht nicht ganz so schmerzhaft ablief, nur um erleichtert zu seufzen, wenn es endlich vorbei war und er ihr Bett verließ?
Es gab keinen Grund anzunehmen, dass sich dadurch irgendetwas geändert hätte. Mit einem anderen Mann an ihrer Seite wäre sie nicht wie von Geisterhand eine leidenschaftliche Frau geworden, und genau genommen wäre es sogar noch schlimmer gewesen, weil sie hätte mit ansehen müssen, wie sich Enttäuschung in Rochfords Gesicht abzeichnete, sobald ihm klar wurde, dass seine Ehefrau kalt und starr wie ein Stein neben ihm im Bett lag. Und darüber hinaus wäre das Ganze umso schlimmer geworden, da sie sich vor den nächtlichen Besuchen ihres Mannes dann gefürchtet hätte, den sie doch eigentlich so sehr liebte.
Nein, so hatte sie ein viel besseres Leben führen können. Sie konnte die schönen Erinnerungen an jene Liebe bewahren, die sie vor langer Zeit gefühlt hatte. Und hätte Rochford eine Ahnung davon gehabt, was für eine Art von Frau sie war, wäre er ihr jetzt noch dankbar dafür, dass sie nicht geheiratet hatten. Er konnte noch immer eine Ehe eingehen, damit er einen Erben bekam.
Jede der Frauen, die sie für ihn ausgewählt hatte, würde eine hervorragende Duchess of Rochford abgeben. Und er konnte sich mühelos in jede von ihnen verlieben. Immerhin hatte Francesca in dieser Hinsicht bislang große Erfolge erzielt. So würde er für den Rest seines Lebens in jedem Fall glücklicher sein, als er es mit ihr jemals hätte sein können. Und das wiederum würde sie auch glücklich machen. Sehr glücklich sogar, sagte sie sich.
Allerdings fragte sie sich, warum sie bei dem Gedanken daran, seine Heirat in die Wege zu leiten, diese schreckliche Leere in ihrem Inneren verspürte.
3. KAPITEL
Francesca spazierte durch den Garten von Dancy Park. Die Sonne schien ihr warm auf den Rücken, und das wundervolle Aroma verschiedenster Blüten hing in der Luft. Im goldenen Lichtschein entwickelte sich ein Wirbel von Farben: der purpurne Rittersporn, weiße und gelbe Löwenmäulchen, das kräftige Rosa und Rot der Päonien und überall Rosen in allen Schattierungen, die an Rankgittern in die Höhe wuchsen und Mauern überwanden. Ein Windhauch erfasste die Blumen und ließ ihre Blüten und Blätter hin und her schaukeln.
„Francesca.“
Sie drehte sich um und entdeckte Rochford. Die Sonne stand hinter ihm am Himmel, sodass sie sein Gesicht nicht deutlich sehen konnte, aber sie erkannte seine Stimme, seine Statur, seine Art zu gehen. Sie lächelte, während sich ihre Gefühle für ihn zu regen begannen.
„Ich habe Sie von meinem Arbeitszimmer aus
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