Antrag nach Mitternacht
mit sich bringen konnte.
Seit drei Jahren betätigte sich Francesca nun als Ehestifterin, natürlich stets unter dem Vorwand, einer Freundin einen Gefallen zu tun. Auch wenn sie davon kein Luxusleben führen konnte, so musste sie immerhin keinen Hunger leiden. Zudem konnte sie ihre wenigen Bediensteten bezahlen, und im Winter war ihr Haus gut geheizt – jedenfalls wenn die größeren und zugigeren Räume kalt blieben. Angesichts der Aufträge, die sie den Modistinnen und Hutmacherinnen vermittelte, fiel für sie oft ein Kleid ab, das bestellt und nicht abgeholt worden war. Oder aber sie konnte eine Bluse oder einen Hut zu einem deutlich ermäßigten Preis erstehen.
Das war nicht das Leben, das sie sich erhofft hatte, und sie verbrachte mehr Zeit, als ihr lieb war, damit, sich Sorgen darüber zu machen, ob sie die nächsten Rechnungen würde bezahlen können. Wenigstens bestimmte sie selbst über ihr Leben. Sie war so unabhängig, wie eine Dame es nun mal sein konnte, die dennoch hoffte, angesehen zu sein. Ihre Mutter wäre entsetzt gewesen, hätte sie gewusst, welcher Betätigung Francesca nachging, und etliche andere Mitglieder der Gesellschaft hätten ganz ähnlich reagiert. Vielleicht war es ja nicht sonderlich vornehm, was sie tat, aber wenn sie ganz ehrlich war, dann empfand sie es als sehr befriedigend, sich jenen Mädchen zu widmen, die kein Gefühl für Stil und Mode besaßen, und aus ihnen attraktive junge Damen zu machen. Außerdem war es immer wieder eine Freude, zu sehen, wie ein Paar durch ihre Hilfe zusammenfand.
Alles in allem war sie mit ihrem Leben durchaus zufrieden. Zumindest war sie es bis vor Kurzem gewesen. Doch in den letzten Wochen wurde sie zunehmend von einem Gefühl der Unzufriedenheit und von einer gewissen Langeweile heimgesucht. Zeitweise hatte sie sich sogar … ja, sie hatte sich einsam gefühlt.
Das war natürlich völlig absurd, denn ihr Gesellschaftskalender war randvoll. Für jeden Abend in der Woche lagen ihr meist mehrere Einladungen vor. Jeden Tag hatte sie etliche Besucher, männliche wie weibliche. Sie wollte keinen Tanzpartner und keinen Begleiter haben, und wenn sie in der vergangenen Zeit häufig auch allein war, dann ausschließlich auf ihr eigenes Betreiben hin. Sie hatte einfach nicht den Wunsch verspürt, so oft auszugehen oder sich mit anderen Leuten zu treffen.
Ihr fehlte Callie. Sie hatte sich daran gewöhnt, die junge Frau bis zu ihrer Vermählung um sich zu haben, und ohne sie kam Francesca das Haus verlassen vor, was sie so ja auch dem Duke gesagt hatte. Hinzu kamen das Bedauern und die Schuldgefühle wegen des schrecklichen Fehlers, den sie vor vielen, vielen Jahren begangen hatte. Aber war es nicht nur natürlich, wenn sie darüber nachdachte, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, hätte sie nicht die Verlobung gelöst?
Hätte sie Rochford geheiratet, würde sie jetzt nicht ihre Tage damit verbringen, sich Sorgen zu machen, ob sie auch morgen noch genug zu essen haben würde, und sie müsste auch keine alten Kleider auftragen. Aber wichtiger als diese materiellen Dinge war die Frage, ob sie mit ihm ein glückliches Leben geführt hätte.
Was wäre geschehen, wenn sie einen Ehrenmann anstelle eines Freigeistes geheiratet hätte? Was, wenn sie die Frau jenes Mannes geworden wäre, den sie wirklich liebte? Sie musste an ihre Begeisterung denken, an das sie schwindelig machende Gefühl, das sie damals verspürte, immer dann, wenn sie mit Rochford zusammen war, an das Strahlen, das sie erfüllte, wenn er sie anlächelte. An die Art, wie ihr ganzer Körper erregt war, wenn er sie küsste.
Sein Verhalten ihr gegenüber war stets tadellos gewesen, und die wenigen Küsse, die sie von ihm bekommen hatte, konnte sie als fast durchweg keusch bezeichnen. Und doch hatte ihr Herz schneller zu schlagen begonnen, wenn er sich in ihrer Nähe befand. Ihre Sinne waren von seinem Anblick, von seiner Stimme und seinem Duft völlig in Beschlag genommen worden. Einige Male war ihr aufgefallen, wie in ihm eine glühende Hitze aufstieg, wenn er sie küsste, denn in diesen Augenblicken hatte er sie in seine Arme gezogen. Seine Lippen drückte er dabei so fordernd auf ihre, bis sie ihren Mund leicht öffnete. In diesen Momenten schreckte er augenblicklich zurück und entschuldigte sich für seinen mangelnden Anstand. Francesca bekam kaum ein Wort davon mit, weil sie von diesen neuen, ungewohnten Empfindungen wie benommen war, die ein Feuer in ihr entfacht hatten. Ein wohliger
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