Antrag nach Mitternacht
so als müsste sie jeden Moment zu Boden sinken, sollte er aufhören, sie festzuhalten.
So plötzlich, wie der Kuss begonnen hatte, endete er auch wieder. Aus schmalen Augen sah er sie an, stieß einen leisen Fluch aus und ließ ihre Arme los. Danach wandte er sich ab und ging mit ausholenden Schritten zur Tür.
Francesca konnte nichts anderes tun, als dazustehen und ihm hinterherzuschauen. Das Herz raste in ihrer Brust, ihr Atem ging hastig und flach. Sie fühlte sich wie benommen, unzählige Empfindungen stürmten gleichzeitig auf sie ein. Seine Worte waren bis tief in ihr Herz eingedrungen, Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie hatte ihn ungewollt verletzt. Sie wollte ihm nachlaufen, um ihn anzuflehen, damit er noch blieb und ihr die Gelegenheit gab, ihm alles zu sagen. Dabei hatte sie ihn doch gar nicht verletzen wollen. Irgendwie musste sie ihn dazu bringen, ihr das zu glauben. Sie musste ihm klarmachen, dass sie ihm nur etwas Gutes hatte tun wollen.
Wie hatte das nur so eine verheerende Wendung nehmen können? Zugegeben, sie war davon ausgegangen, dass er sich über ihre Einmischung ein wenig ärgern würde. Aber dass er so in Rage geraten könnte, hatte sie beim besten Willen nicht erwartet. Nun stand zu befürchten, dass ihre Freundschaft mit Rochford für immer zerstört worden war und er nichts mehr von ihr wissen wollte. Diese Vorstellung ließ sie unwillkürlich frösteln.
Und warum hatte er sie geküsst? Es war wohl kaum ein Ausdruck seiner Gefühle gewesen, jedenfalls keiner beglückenden Gefühle ihr gegenüber. Es war ein harter, brutaler Kuss gewesen, der nicht verführerisch wirkte. Die Art, wie er sie gepackt hatte, zeugte mehr von Wut denn von Leidenschaft. Es war fast so, als hätte er versucht, sie zu bestrafen.
Francesca hob die Hand und strich mit den Fingerspitzen über ihre Lippen. Seinen Mund und seine Zunge konnte sie noch immer spüren. Und tief in ihrem Inneren hielt sich nach wie vor die von ihm entfachte Glut. So etwas hatte sie nie zuvor in ihrem Leben verspürt … oder zumindest schon seit vielen Jahren nicht mehr.
Sie wollte sich aufs Bett werfen und ihren Tränen freien Lauf lassen. Sie wollte sich zusammenrollen und in der Erinnerung an diesen Kuss schwelgen. Eigentlich wusste sie gar nicht so genau, was sie wollte.
Aufgewühlt und verwirrt drehte sie sich um, nahm den Kerzenhalter und machte sich auf den Weg ins Bett.
Der Duke of Rochford öffnete die Tür und betrat das White’s. Er sah weder nach links noch nach rechts, sondern überlegte, warum er hergekommen war. Im Moment stand ihm der Sinn nicht nach Gesellschaft, aber er hatte sich auch nicht in der Lage gefühlt, in das große, verlassene Lilles House zurückzukehren.
Eigentlich wollte er sich mit einer Flasche Portwein an einen Tisch setzen und sich betrinken, bis er alles um sich herum vergessen hatte. Um diese Absicht in die Tat umzusetzen, winkte er Timmons zu sich, den Maître de, und ließ sich in der entgegengesetzten Ecke des Raums, in der sich sonst niemand aufhielt, in einen Sessel fallen.
Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, während er vergeblich versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen.
Wie zum Teufel schaffte sie es nach all den Jahren immer noch, dass er derart die Beherrschung über sich verlor? Er wusste, man betrachtete ihn im Allgemeinen als einen ausgeglichenen Mann, der in einer Krise die Ruhe bewahrte und sich nicht leicht zu einem Wutausbruch reizen ließ. Nur bei Francesca bewegte er sich stets am Rand einer Explosion.
Schritte näherten sich und verstummten neben seinem Sessel. Rochford hielt die Augen geschlossen und hoffte, die Person würde sich zum Weitergehen entschließen. Aber er hörte nicht, dass sich jemand auch wieder entfernte, also stieß er einen leisen Seufzer aus und machte die Augen auf.
„Gideon!“ Er wusste nicht, mit wem er gerechnet hatte – vielleicht mit einem dieser Typen, die jede Gelegenheit nutzten, um einen Duke anzusprechen, und die sich von einem Rückschlag und keiner noch so klaren Andeutung davon abhalten ließen. Aber ganz sicher hatte er nicht den Mann erwartet, der jetzt neben seinem Sessel stand. „Was machst du denn hier?“
„Ich bin Mitglied in diesem Club“, antwortete der andere und lächelte flüchtig. „Vielleicht erinnerst du dich ja, dass du ein gutes Wort für mich eingelegt hattest, damit ich Mitglied werden konnte.“
Er schnitt eine Grimasse. „Natürlich erinnere ich mich. Es ist nur so, dass
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