Antrag nach Mitternacht
mich schon wieder mit der Dowager Duchess vergleichen? Also wirklich, Rochford, Sie sind einfach unmöglich. Ich habe nie behauptet, dass Sie Ihrer Familie wegen heiraten sollen. Vorrangig ist allein, dass Sie glücklich sind.“
Sekundenlang musterte er sie, während ein Lächeln seine Mundwinkel umspielte. „Es freut mich, dass Sie das sagen.“
Ein eigenartiges Zittern durchfuhr sie, über das sie lieber nicht nachdenken wollte. Also wandte sie sich ab und ging langsam weiter. „Warum hat Ihrer Mutter aber Dancy Park nicht gefallen?“
„Es war nicht so, dass es ihr dort nicht gefallen hätte. Aber es fiel ihr schwer, Marcastle zu verlassen. Und nach Vaters Tod zog sie sich völlig zurück. In der Saison kam sie nur selten nach London. Sie hatte daran keine Freude mehr. Genau genommen hatte sie so gut wie alle Lebensfreude verloren. Sie ging nur noch selten auf Reisen und blieb lieber dort, wo sie und mein Vater die meiste Zeit gemeinsam verbracht hatten. In Marcastle fühlte sie sich ihm am nächsten.“
„Wie traurig. Ich meine, das ist auch sehr rührend, aber so zu leben erscheint mir sehr traurig.“
„Das war es auch. Sie tat mir leid, und doch …“
„Und doch?“, wiederholte Francesca, als er nicht weiterredete. Ohne nachzudenken, hakte sie sich erneut bei ihm unter.
Er schüttelte schwach den Kopf. „Ich fürchte, Sie werden mich für sehr egoistisch halten. Ich wünschte, sie wäre nicht so in ihre Trauer versunken, denn mir kam es so vor, als hätte ich beide Elternteile verloren. Callie war noch ein Kind, sie konnte sich später nicht mal an meinen Vater erinnern. Unsere Mutter war für sie wie … wie ein Geist. Ein bleiches Abbild der Frau, die sie einst war. Callie kann sich bis heute nicht an die lebendige, strahlende Frau erinnern, die unsere Mutter früher war. Sie wuchs mit einem schweigsamen, traurigen Menschen auf, der auf Abstand zu allen anderen gegangen war.“
„Sie wird aber auch Ihnen gefehlt haben“, überlegte Francesca.
„Das hat sie. Gewiss. Es gab Zeiten, da hätte ich ihren Rat dringend benötigt. Ich war gerade achtzehn und fühlte mich von meinem Titel oftmals überfordert. Natürlich war da noch meine Großmutter, die ich fragen konnte.“
„Die Verfechterin von Pflicht und Verantwortung“, murmelte Francesca.
Rochford lächelte flüchtig. „Ja. Wenigstens war sie jemand, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg zurückhielt. Sie wusste immer ganz genau, was zu tun war.“
„Aber sie war sicher nicht die liebevollste Frau, möchte ich wetten.“
„Nein, ganz eindeutig nicht. Von Ihnen hielt sie auch nicht besonders viel.“
Erschrocken schaute Francesca ihn an. „Sie wusste es? Dass Sie und ich …?“
„Ich hatte ihr nichts gesagt“, beteuerte er. „Aber ihr fiel auf, wie viel Aufmerksamkeit ich Ihnen schenkte. Sie wusste, dass ich übermäßig viel Zeit in Dancy Park verbrachte, anstatt mich hier auf dem Familiensitz aufzuhalten, und sie konnte sich den Grund denken. Großmutter war schon immer sehr scharfsinnig gewesen.“
„O weh! Sie muss außer sich vor Wut gewesen sein, als ich …“
„Nein. Soweit ich mich erinnern kann, sagte sie, dass es exakt so gekommen sei, wie ich es hätte erwarten sollen. Und sie versicherte mir, etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können, weil ich nun um die Hand von Carboroughs jüngerer Schwester anhalten könne.“
„Lady Alspaugh?“, fragte Francesca verwundert.
„Nun, sie war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Lord Alspaugh verheiratet, das heißt, sie war damals noch Lady Katherine.“
Francesca sah ihn an und bekam den Mund nicht mehr zu, bis er auf einmal zu lachen anfing. „Oh!“, rief sie und gab ihm einen Klaps auf den Arm. „Sie erzählen mir Ammenmärchen!“
„Nein, nein, keineswegs. Sie war die Wahl meiner Großmutter. In erster Linie hatte es mit ihrer Herkunft und ihrer Mitgift zu tun. Und ein beträchtliches Stück Land, das sie nach dem Tod ihrer Großmutter erben sollte, spielte dabei auch noch eine Rolle. Das fragliche Areal grenzt an mein Grundstück in Cornwall und hätte die Grundlage für ein stattliches Anwesen geliefert.“
„Aber sie hat schiefe Zähne und besitzt nicht einen Funken Humor“, wandte Francesca ein. „Und sie ist um einige Jahre älter als Sie.“
„Vier Jahre“, bestätigte er. „Doch die Pflicht rief.“
Francesca schnaubte kein bisschen damenhaft. „Sie rief, aber sie hat sicher nicht nach Ihnen geschrien, oder?“
„Nein,
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