Antrag nach Mitternacht
war, wie ich mich angeregt mit ihm unterhielt – bis ich mich plötzlich selbst reden hörte.“
Francesca nickte zustimmend, auch wenn sie insgeheim nur noch staunen konnte und sich fragte, ob Caroline Wyatt wohl der gleichen Meinung war. Doch bestimmt machte es viel aus, ob Rochford eine junge Frau sympathisch fand, mit der er redete. Das führte dann dazu, dass selbst die schweigsamsten jungen Damen nicht mehr zu erzählen aufhörten.
„Sie halten mich sicher für sehr albern“, redete Lady Mary weiter und lächelte entschuldigend. „Sie sind schon so lange mit dem Duke befreundet.“
„Ja, das ist wahr.“ Francesca musste sich zwingen, das Lächeln zu erwidern, obwohl ihr nicht danach war. „Er ist ein außergewöhnlicher Gentleman.“
Mary strahlte sie an. „Ich weiß. Ich kann mich so glücklich schätzen.“
Es kostete Francesca große Mühe, weiterhin gute Miene zu wahren. Aha. Die junge Frau schätzte sich schon jetzt glücklich! War sie etwa so sehr davon überzeugt, dass sie den Duke für sich gewonnen hatte? Bei jeder anderen Frau hätte sie diese Worte als dumme Arroganz abgetan, aber Mary Calderwood war nicht arrogant. Sie war einfach nur zu unerfahren, um zu wissen, dass sie nicht solche scheinbaren Gewissheiten zum Besten geben sollte, solange der Duke nicht tatsächlich um ihre Hand angehalten hatte.
Andererseits konnte Francesca natürlich nicht ausschließen, dass er Mary tatsächlich längst auf eine Heirat angesprochen hatte und lediglich ihr gegenüber nichts davon hatte verlauten lassen. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich ins Herz. Mit einem Mal ertrug sie es nicht länger, dazusitzen und der vor Glück überschäumenden jungen Frau zuzuhören, die mit einem glückseligen Ausdruck in den Augen in die Welt schaute. Francesca gab ein paar höfliche Floskeln von sich, die sie im nächsten Moment schon wieder vergessen hatte, und stand auf.
Sie entfernte sich von den Gästen, zog sich in den Flur zurück und entdeckte einen abgeschiedenen Alkoven, in dem sie Platz nahm und erst einmal tief durchatmete.
War es möglich, dass Lucien recht hatte und sie tatsächlich eifersüchtig war? Sie wollte lachen und es als absurd abtun, aber das konnte sie nicht. Während sie für Sinclair den Ball geplant hatte, war ihr nicht aus dem Kopf gegangen, dass dort womöglich eine Verlobung angekündigt werden sollte. Sie wusste, es war gemein von ihr, dass sie Rochford nicht mit Mary verlobt sehen wollte. An der jungen Frau gab es nichts auszusetzen, sie war nett und freundlich, und dass sie verliebt war, das konnte man ihr deutlich ansehen. Alles stimmte und war genau das, was Sinclair verdiente: eine Frau, die ihn liebte und die für ihn eine gute Ehefrau sein würde. Es war auch das, was sie ihm wünschte. Jedenfalls sagte sie sich dies. Doch sie konnte nicht den Schmerz in ihrem Herz verleugnen, wenn sie an die beiden als Paar dachte. Widerwillen kochte in ihr hoch, wenn sie sich vorstellte, er könnte in diese Frau verliebt sein.
Sie wusste, es war verkehrt und überdies gehässig von ihr. Und sie war entschlossen, so nicht zu empfinden. Sie musste gegen diese Gefühle ankämpfen, schließlich wollte sie keine von den Frauen sein, die einem Mann alles Schlechte dieser Welt wünschten, nur weil sie ihn nicht haben konnte.
Dazu musste sie doch in der Lage sein. Vielleicht war sie kein tiefgründiger Mensch, aber ganz sicher war sie auch kein schlechter Mensch. Sie hatte das alles überhaupt erst in die Wege geleitet, weil sie Sinclair glücklich sehen wollte, und an dieser Absicht hatte sich nichts geändert. Wenn Mary Calderwood die Frau sein sollte, die ihn glücklich machte, würde sich Francesca schon irgendwie dazu durchringen, sich für ihn zu freuen.
Das einzige Problem bestand darin, wie ihr das gelingen sollte.
Der von Mr Perkins gesetzte Termin rückte näher, doch Francesca weigerte sich, darüber nachzudenken. Wenn kein Wunder geschah, würde es ihr nicht möglich sein, die geforderte Summe aufzubringen. Damit blieb ihr nur noch die Wahl, sich zu widersetzen, das Haus zu verlassen oder kleinlaut das Feld zu räumen. Obwohl der Gedanke sie verzagen ließ, wusste sie doch ziemlich genau, was sie tun würde, wenn es hart auf hart kam. Was auch immer man ihrer Familie nachsagte, jeder Einzelne aus ihr war ein Krieger und Kämpfer gewesen.
Anstatt sich also weiter den Kopf über den Freund ihres Mannes zu zerbrechen, widmete sie sich ausführlich der Planung von Rochfords Ball.
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