Antrag nach Mitternacht
offenbar auch schon seit vielen Jahren im Lilles House angestellt war. Bei ihr handelte es sich um eine rundliche Frau mit eisengrauem Haar und muskulösen Armen, die davon zeugten, dass sie ein Leben lang Brotteig geknetet und Suppe umgerührt hatte. Die Frau gesellte sich mit skeptischer Miene zu Francesca und Cranston, da sie wie praktisch jeder Koch fürchtete, jemand wolle ihr Vorschriften bei ihrer Arbeit machen. Aber wie immer zeigte Francescas Charme schnell Wirkung, und bereits nach wenigen Minuten nickte sie und stimmte allen Vorschlägen zu.
„Sieh an, sieh an“, ertönte plötzlich eine kultivierte Männerstimme von der Tür. „Versuchen Sie, mir mein Personal abspenstig zu machen, Lady Haughston? Sollte ich mich beleidigt fühlen?“
Alle drei drehten sie sich um und sahen den Duke, wie er gegen den Türrahmen gelehnt dastand und sie anlächelte.
„Glauben Sie mir, das würde ich liebend gern tun, aber damit würde ich mir den Zorn meines eigenen Personals zuziehen“, gab Francesca zurück und erwiderte sein Lächeln.
Dabei ging ihr durch den Kopf, dass diese Szene völlig alltäglich wäre, hätte sie den Duke vor vielen Jahren geheiratet. Wie oft hätte sie in all der Zeit wohl schon an diesem Tisch gesessen und zu ihm geschaut, während er in der Tür stand?
„Dann darf ich annehmen, dass Sie hier sind, um Ihre Pläne für den Ball zu besprechen, richtig?“, fragte Rochford.
„Richtig. Möchten Sie hören, wo ich welche Dekorationen vorgesehen habe?“
„Zeigen Sie es mir lieber“, schlug er vor. „Danach könnten auch wir zusammen einen Tee trinken, wenn Sie möchten.“
„Das wäre sehr schön“, antwortete sie wahrheitsgemäß.
„Hervorragend. Cranston, Tee im Damenzimmer. Sagen wir … in zwanzig Minuten?“
Cranston nickte, dann zogen er und die Köchin sich schnell in die Küche zurück. Rochford wandte sich Francesca zu, bot ihr den Arm an, damit sie sich bei ihm unterhakte, und ging mit ihr durch den langen Flur ins Foyer, um sie von dort durch die noch längere Galerie in den Ballsaal zu führen.
„Ich hielt es für sinnvoll, Cranston zu zeigen, wo und wie dekoriert werden soll“, erklärte Francesca, da sie vermutete, dass sich Rochford wunderte, warum sie zu ihm gekommen war, anstatt den Butler zu sich nach Hause zu bestellen. „Er hat Grundrisse vom Saal, auf denen alles eingezeichnet ist, sodass ich auf den Plänen Markierungen anbringen konnte.“
„Er ist erstaunlich gut organisiert. Ich vermute, er besitzt einen Grundriss von jedem Zimmer in diesem Haus und hat genau eingezeichnet, wo welches Möbelstück steht. Cranston entgeht wahrlich nichts. Und ganz bestimmt ist er völlig begeistert, mit jemandem reden zu können, der sich für Dekorationen und Menüs und Ähnliches interessiert. Ich fürchte, mich empfindet er in dieser Hinsicht als entsetzlich langweilig, weil ich mich dafür überhaupt nicht begeistern kann. Ihm wird Callie sicher sehr fehlen.“
Francesca lächelte und drückte seinen Arm. „So wie Ihnen, könnte ich mir vorstellen.“
Er sah sie an und erwiderte ihr Lächeln. „Da haben Sie allerdings recht. Ich dachte, ich hätte mich daran gewöhnt, sie nicht mehr im Haus zu haben, als sie bei Ihnen gewohnt hat. Doch ich muss sagen, es ist ein ganz anderes Gefühl, mit Bestimmtheit zu wissen, dass sie nicht nach ein oder zwei Monaten zurückkommen wird. Ich muss mich für sie freuen, weil ich weiß, dass sie mit Bromwell glücklich ist. Aber ich wünschte, sein Anwesen wäre nicht so weit weg in Yorkshire.“
„Wenigstens ist es von Marcastle aus nicht ganz so fern“, tröstete sie ihn.
„Ja. Zweifellos werden wir uns öfter besuchen, wenn ich wieder zu Hause bin.“
Francesca verspürte einen Stich, da bei seinen Worten klar wurde, dass sie dann ganz allein in London sein würde. Es dauerte einen Moment, ehe sie sich vor Augen hielt, dass sie nur selten wirklich allein war, und das selbst dann, wenn die Saison längst vorüber war. Und mit Blick auf die Drohung, die Mr Perkins ausgesprochen hatte, war außerdem davon auszugehen, dass sie dann auch gar nicht mehr in London, sondern zurückgezogen in Redfields leben würde.
Entschlossen lenkte sie die Unterhaltung in eine andere Richtung, als sie den Ballsaal betraten. „Ich habe mir überlegt, dass Sie ein Fest zur Sommersonnenwende geben könnten. Was halten Sie davon? Wir könnten es genau an diesem Datum stattfinden lassen und alles in ein Märchenland verwandeln. Cranston ist
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