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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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will es auch gar nicht wissen.« Faye schloss mit einem Ruck die Faust um den Edelstein. »Aber ich kann dir nicht helfen. Ich weiß wirklich nicht, wo Patsy ist … oder Isis oder wie immer sie auch heißt. Vielleicht kann Red dir helfen.«
    »Red? Der Kellner aus dem Ten Bells «
    »Angeblich hat er mal was mit Patsy gehabt«, sagte Faye. »Glaub ich aber nicht. Jedenfalls erzählt man sich, dass er weiß, wo Patsy sich versteckt. Aber ich weiß nicht, ob es stimmt.«
    »Dann sollte ich ihn vielleicht selbst fragen«, sagte Bast. »Wo finde ich ihn?«
    »Er hat ein Zimmer direkt über dem Ten Bells «, antwortete Faye. »Aber die haben erst vor einer guten Stunde Schluss gemacht. Jetzt schläft er bestimmt.«
    »Vermutlich«, sagte Bast. »Tja, dann werde ich ihn wohl wecken müssen.«

    Ganz wie Faye vorausgesagt hatte, war das Ten Bells geschlossen, und dasselbe schien auch für die gesamte Straße zu gelten. Bast begegnete auf dem ganzen Weg nahezu niemandem, und ihre Sinne verrieten ihr auch den Grund dafür: In kaum einem der Häuser, an denen sie vorbeikam, schien jemand wach zu sein. Hier und da erblickte sie einen einsamen Fußgänger, und ein- oder zweimal hörte sie das Weinen eines Kindes, aber der allergrößte Teil Whitechapels lag noch in tiefem Schlaf. Anscheinend tickten die Uhren hier anders als im übrigen London.
    Bast sollte es recht sein. Sie war weder erpicht auf neugierige Blicke noch auf irgendeine Unterhaltung; also tarnte sie sich, indem sie die Gestalt einer sowohl von ihrer Erscheinung als auch Kleidung her unauffälligen Frau mittleren Alters annahm und sich zumindest weit genug beherrschte, nicht allzu schnellen Schrittes dahinzueilen. Niemand, der nicht aus dem einen oder anderen Grund auf der Flucht war, rannte hier. Die wenigen Menschen, denen sie überhaupt begegnete, schlurften mit müden Schritten und hängenden Schultern dahin. Selbst der Konstabler, der ihr auf halbem Wege auf der anderen Straßenseite entgegenkam – anscheinend hatten sich Abberlines Vorgesetzte entschlossen, zumindest nach außen hin Präsenz zu zeigen –, schien im Gehen vor sich hin zu dösen und streifte sie nur mit einem desinteressierten Blick, bevor er wieder in seine Tagträume versank.
    Ihre Geduld war jedoch endgültig aufgebraucht, als sie das Ten Bells erreichte. Die heruntergekommene Kaschemme sah bei Tageslicht noch schäbiger und erbärmlicher aus als bei Nacht, und der Gestank nach kaltem Rauch, abgestandenem Bier und angebranntem Fleisch schlug ihr schon in zwanzig Schritten Entfernung entgegen und nahm ihr schier den Atem.
    Sie machte sich nicht die Mühe, anzuklopfen – es hätte sowieso niemand reagiert –, sondern warf nur einen sichernden Blick in beide Richtungen, stellte fest, dass sie allein auf der Straße war und trat dann kurzerhand die Tür ein. Das morsche Holz zersplitterte wie Glas unter ihrem Fuß, und sie legte vorsichtshalber die Hand auf den Schwertgriff, als sie gebückt unter der niedrigen Tür hindurchtrat, obwohl sie wusste, dass auf der anderen Seite niemand auf sie wartete.
    Es war sehr still und so dunkel, dass ihre Augen ein oder zwei Sekunden brauchten, um sich umzustellen. Die Läden waren vorgelegt und ließen nur dünne Streifen aus grauem Licht herein, in denen Staub tanzte, und nach einem Moment glaubte sie doch ein Geräusch zu hören: ein unregelmäßiges rasselndes Schnarchen, das unter einem der Tische am anderen Ende des großen Schankraumes hervordrang. Anscheinend hatte man einen der Zecher dort vergessen.
    Obwohl sich das Ten Bells über drei Gebäudebreiten erstreck te, bestand das Erdgeschoss doch nur aus drei Räumen: dem Schankraum, einer schmuddeligen Küche, bei deren Anblick Bast ein stummes Dankgebet zu Ra schickte, hier niemals etwas gegessen zu haben, und einer winzigen Kammer, aus der eine Treppe ins obere Geschoss hinaufführte. Bast lauschte einen Moment in sich hinein und registrierte nur ein einziges, eher schwaches Lebenszeichen. Trotzdem ließ sie die Hand auf dem Schwertgriff, während sie die ausgetretenen Stufen hinaufeilte. Sie hatte in letzter Zeit zu viele unangenehme Überraschungen erlebt.
    Das Obergeschoss des Ten Bells erwies sich als das genaue Gegenteil des unteren: Es war ein wahres Labyrinth winziger, verschachtelter Gänge und Kammern, von denen die meisten nicht einmal Fenster hatten und als Lager, Rumpelkammer oder auch anderen, vermutlich weniger legalen Zwecken dienten. Auf gut Glück hätte sie womöglich eine

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