Anubis 02 - Horus
diese Göre ab, und ich erfülle dir deinen Wunsch.«
»Warum nimmst du sie nicht einfach mit, wenn dir so viel an ihr liegt?«
»Das geht nicht«, antwortete Bast. »Also?«
»Also was?« Faye blinzelte.
»Also, was sagst du? Bist du einverstanden?«
»Einverstanden?« Faye lachte nervös. »Du glaubst doch nicht, dass … dass ich eine solche Entscheidung in einer Minute treffe, oder? Gib mir ein paar Tage Zeit, um …«
»Das geht nicht«, unterbrach sie Bast. »Das ist der zweite Haken an der Sache. Du musst dich jetzt entscheiden. Nicht in einer Minute, aber heute.«
»Heute noch?«, ächzte Faye. »Wieso?«
»Weil ich fortmuss. Ich muss die Stadt verlassen, vielleicht das Land. Dringende Geschäfte, wenn du verstehst.«
»Dringende Geschäfte?« Faye lachte nervös. »Du bist ja verrückt!«
»Vermutlich«, antwortete Bast. »Aber das sollte nicht deine Sorge sein.«
»Vielleicht doch«, widersprach Faye. Sie war noch immer vollkommen perplex. »Ich meine – wer sagt mir denn, dass du nicht wirklich verrückt bist? Was ist, wenn ich wirklich von hier weggehe und dann irgendwo ganz allein mit Cindy bin? Wer sagt mir denn, dass du uns wirklich Geld schickst? Vielleicht ist das ja deine ganz persönliche Art von Humor.«
Bast seufzte tief. Sie konnte Faye ja verstehen. Die junge Frau hatte in ihrem kurzen Leben schon zu viele Enttäuschungen erlebt, um noch irgendjemandem zu trauen, schon gar nicht einer Wildfremden, die quasi aus dem Nichts aufgetaucht war und sich als die gute Fee aus dem Märchen entpuppte. Statt zu antworten, griff sie in ihren Beutel und zog einen fingernagelgroßen Rubin heraus, den sie Faye reichte.
»Nimm das einfach als Anzahlung«, sagte sie.
Faye riss ungläubig die Augen auf. »Ist der … echt?«, flüsterte sie.
»Ja«, antwortete Bast. »Wenn du ihn verkaufst, könnt ihr allein davon ein Jahr gut leben. Wahrscheinlich länger. Überzeugt dich das?«
Wie es aussah, lautete die Antwort auf diese Frage ganz eindeutig nein. Faye sah immer noch hoffnungslos hilflos und verwirrt aus – aber ihr Misstrauen nahm eher noch zu. »Dann ist er gestohlen«, behauptete sie. »Wahrscheinlich werden sie mich verhaften und ins Gefängnis werfen, wenn ich versuche, ihn zu verkaufen.«
Bast verzog das Gesicht. »Ein kleines Risiko wirst du wohl eingehen müssen, fürchte ich. Also überleg es dir einfach, aber nicht zu lange. Bis heute Nachmittag brauche ich eine Antwort. Den Stein kannst du behalten, ganz egal, wie du dich entscheidest.«
Faye starrte weiter den Rubin auf ihrer ausgestreckten Handfläche an. jetzt war sie wirklich erschüttert. »Das … das ist für mich?«
»Ja«, antwortete Bast. »Aber mach dir auch keine übertriebenen Hoffnungen. Eine Wohnung, ein kleines Geschäft und genug, damit ihr nicht hungern müsst und es im Winter warm habt, das ist alles – und so, wie ich dieses Land bisher kennen gelernt habe, ist das schon mehr, als die allermeisten anderen haben. Überlege es dir, bis ich zurück bin.«
»Zurück?« Es kostete Faye sichtliche Mühe, ihren Blick von dem blutfarbenen Stein auf ihrer Handfläche loszureißen. »Von wo? Wann?«
»Das ist der zweite Grund, aus dem ich hier bin«, antwortete Bast. »Ich muss mit Isis sprechen.«
»Isis?«
»Patsy, Patsy Kline. Ich muss sie finden. Dringend.«
»Aber ich weiß nicht, wo sie ist. Niemand weiß das. Ich habe dir doch gesagt, dass sie kommt und geht, wie es ihr gerade passt. Manchmal ist sie wochenlang verschwunden.«
Genauer musste es wohl heißen: Manchmal konnte sie wochenlang niemand sehen, dachte Bast … aber das Ergebnis war wohl dasselbe. Sie musste nicht einmal Fayes Gedanken lesen, um zu erkennen, dass das Mädchen die Wahrheit sagte.
»Aber du weißt, wie ich sie finden kann«, vermutete sie. »Komm schon. Irgendeinen Weg muss es doch geben, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Es wäre sehr wichtig für mich.«
»Ein Grund mehr, dir nicht zu helfen«, sagte Faye. »Je länger du brauchst, um sie zu finden, desto mehr Zeit bleibt mir zum Überlegen, oder?«
»Leider nicht«, sagte Bast. »Ich verlasse London spätestens heute Abend, ob ich Patsy gefunden habe oder nicht. Es wäre eben nur sehr wichtig, dass ich mit ihr rede. Für dich macht es keinen Unterschied.«
»Warum? Ich meine: Warum musst du mit ihr reden?«
»Ich muss sie warnen«, antwortete Bast. »Ich glaube, dass sie in großer Gefahr ist – und jetzt frag mich nicht, wieso. Das geht dich nichts an.«
»Ich glaube fast, ich
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