Anubis 02 - Horus
schüren, die längst nicht ausreichte, bis in ihr bewusstes Denken vorzudringen, aber genug, um die Illusion von Sicherheit zu erschüttern, in der sie sich bisher gewogen hatte. Nur ein zarter Vorgeschmack, kaum mehr als ein Hauch dessen, was folgen würde Etwas … war nicht richtig. Etwas geschah.
Nicht einmal ihre überscharfen Sinne vermochten im ersten Moment zu erkennen, was es war … vielleicht ein Schatten, der über den Himmel glitt, ohne dass es ihn wirklich gab, ein eisiger Hauch, der viel mehr ihre Seele als ihren Körper streifte …
Sie hielt inne. Ihre scharfen Katzenaugen suchten den Himmel ab, und ihr unvorstellbar scharfes Gehör lauschte auf Töne, die schwächer waren als das Atmen einer Grille, und langsamer als die Gespräche der Berge, die seit Anbeginn der Zeit miteinander flüsterten.
Nichts. Sie war so allein wie seit Millennien – und dennoch: Etwas war da. Sie spürte es, mit Sinnen, die nicht einmal sie verstand, vielleicht weil sie älter waren, als selbst ihre Erinnerungen zurückreichten.
Bast war verärgert. Dies war ein Traum, der keinerlei Einfluss auf sie oder ihr wirkliches Leben hatte, aber etwas störte die Erregung der Jagd, dieses unglaubliche Prickeln, das sie so sehr brauchte und im wirklichen Leben so selten bekam.
Sie schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf ihr Opfer. Der kurze Moment der Verwirrung hatte sie nicht daran gehindert, ihren Weg fortzusetzen und sich ihm weiter zu nähern; weit genug, um ihm auch die allerletzte Chance auf eine Flucht zu nehmen, selbst wenn es in diesem Moment und ganz genau gewusst hätte, was auf es zukam. Sie war nach wie vor verärgert, auch wenn sie nicht einmal selbst genau sagen konnte, warum. Etwas stimmte nicht; und was immer dieses Etwas war, es verdarb ihr den Spaß an der Jagd, wie ein sachter, aber bitterer Beigeschmack, der es ihr unmöglich machte, die bevorstehende Mahlzeit in vollen Zügen zu genießen.
Sie schüttelte auch diesen Gedanken ab und schlich weiter an ihre Beute heran. Sie spürte, wie deren Unruhe wuchs und ihr zum ersten Mal der Gedanke an Flucht kam, aber nun war es endgültig zu spät. Sie konnte sie jetzt sehen, ein schlanker, angstvoll in der Dunkelheit zusammengekauerter Schatten mit aufmerksamen Augen, die so voller Angst waren, dass ein fühlbarer Schauer der Erregung ihren kraftvollen Körper durchrieselte. Nur noch ein winziges Stück. Sie spannte sich zum Sprung.
Ein Schatten glitt über den Himmel, und sie hörte den Laut schlagender Flügel, die die Nacht teilten, mit einem Geräusch wie eine Klinge, die durch nasses Fleisch glitt.
Ihre Beute hob mit einem Ruck den Kopf, und auch sie sah auf und erblickte einen riesigen, pfeilflügeligen Schatten, der den Sternenhimmel verdunkelte. Ein schriller, pfeifender Schrei erscholl, und plötzlich wurde es kalt.
Die Antilope sprang auf und verschwand mit gewaltigen Sprüngen in der Dunkelheit. Sie hätte ihr folgen und sie mühelos mit ein paar kraftvollen Sprüngen einholen können, aber sie blieb geduckt und reglos hocken und starrte in den Himmel hinauf. Wut und Enttäuschung ließen ein zischendes Fauchen über ihre Lippen kommen, und ihre Krallen gruben sich in hilfloser Frustration in den Boden, während der Blick ihrer zu schmalen Schlitzen verengten Pupillen dem Schatten am Himmel folgte. Etwas Dunkles, unvorstellbar Drohendes ging von der fliegenden Chimäre aus, und ein Schwall körperloser, grausamer Kälte, der selbst ihren schlafenden Körper in der Wirklichkeit zum Erschauern brachte.
Der Falke antwortete mit einem neuerlichen, krächzenden Schrei auf ihr Fauchen und nahm die Herausforderung an, indem er plötzlich die Flügel anlegte und in einem rasenden Sturzflug auf sie herabstieß.
Bast empfing ihn mit blitzenden Klauen und gebleckten Fängen. Federn und Fell flogen, Blut und Erdreich explodierten in einem Geysir reiner Gewalt und rasender Bewegung, und ein greller Schmerz raste durch ihren Körper, als sich die Fänge des gewaltigen Raubvogels in ihr Fleisch gruben.
Das Schlimmste war die Kälte.
Es war wie Eis, das ihre Seele einhüllte, ein grausam kaltes Feuer, das sie innerlich verbrannte und ihre Menschlichkeit zu verzehren begann.
Trotzdem wehrte sie sich mit verzweifelter Kraft. Auch ihre Krallen und Zähne fanden ihr Ziel. Sie schmeckte Blut und Fleisch, und aus ihrem Hunger wurde pure Raserei, und dann …
… kippte der Traum, und sie fand sich urplötzlich in nahezu vollkommener
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