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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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war alles penibel in Regalen aufgestapelt und sorgsam verpackt; sie sah zahllose Bündel und Kartons und Kisten und Säcke, die mit kleinen, akribisch beschrifteten Zetteln markiert waren. Ein ganz normaler Lagerraum, wie sie ihn in jedem ordentlich geführten Museum auf der Welt erwartet hätte.
    Bast war viel mehr erstaunt als wirklich erschrocken. Horus war schon immer ein Meister der Täuschung gewesen, aber das hätte sie ihm nicht zugetraut. Er hatte dazugelernt.
    Oder sie selbst wurde nachlässiger.
    Sie ging zur Tür, spähte auf den Flur hinaus und sah zumindest auf den ersten Blick nichts, aber der aufgeregte Lärm und das Stimmengewirr hatten noch zugenommen. Jemand kam.
    »Kommen Sie, Mrs Walsh«, sagte sie. »Und denken Sie daran: Gehen Sie einfach weiter. Ganz egal, was passiert.«
    Mrs Walsh setzte dazu an, zu widersprechen, aber das ließ Bast nicht zu. Mit einem entschlossenen Schritt verließ sie die Kammer, wartete, bis Mrs Walsh neben sie getreten war und ging dann mit langsamen, aber festen Schritten los.
    Der nächste Schwächeanfall kam, als sie den Durchgang zur großen Halle fast erreicht hatten, und es war nichts anderes als pures Glück, dass ihnen in diesem Moment niemand begegnete. Bast sank hilflos mit der Schulter gegen die Wand und blieb am ganzen Leib zitternd und mit geschlossenen Augen stehen, die Stirn gegen den Stein gelehnt und die Hände zu Fäusten geballt.
    »Miss Bast?«, fragte Mrs Walsh verstört. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Nur einen Moment«, flüsterte Bast. Sie war nicht einmal sicher, ob sie die Worte tatsächlich aussprach, oder es nur versuchte. Der Hunger war grausam. »Und … kommen Sie mir nicht zu nahe. Bitte.«
    Aus dem Moment wurde eine Minute, vielleicht auch zwei, dann zog sich die Flut aus reiner Qual widerwillig und langsam wieder zurück, und ihr Blick klärte sich. Mrs Walsh war bis zur gegenüber liegenden Wand zurückgewichen und starrte sie aus Augen an, in denen das pure Entsetzen flackerte.
    Bast atmete hörbar ein, zwang ein zitterndes Lächeln auf ihre Lippen und nahm Mrs Walsh zugleich so viel von ihrer Furcht, wie es ihr möglich war. Sehr viel war es nicht.
    Draußen in der großen Halle war von der allgemeinen Aufregung nichts zu bemerken, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Henry war natürlich verschwunden und irrte möglicherweise noch immer durch die Kellergewölbe, aber seinen Platz neben den gewaltigen Ramsesstatuen nahmen nun gleich zwei seiner Kollegen ein. Beide waren deutlich jünger als er und von ausgesucht kräftiger Statur, und Bast musste kein zweites Mal hinsehen, um zu erkennen, dass sie ihre Aufgabe sehr ernst nahmen und dass diese nicht nur daraus bestand, die normalen Museumsbesucher im Auge zu behalten und darauf zu achten, dass niemand die ausgestellten Preziosen und Kunstwerke berührte.
    Sie war nicht die Einzige, deren Gedanken sich in diese Richtung bewegten. Mrs Walsh ging zwar gehorsam neben ihr her, aber ihre Nervosität nahm mit jedem Schritt weiter zu. »Sie warten auf uns«, flüsterte sie.
    »Ich weiß«, antwortete Bast. »Gehen Sie weiter.«
    »Aber sie … sie werden uns erkennen«, murmelte Mrs Walsh. »Was sollen wir nur tun?«
    »Nichts«, antwortete sie. »Gehen Sie einfach weiter. Nichts wird geschehen.«
    Sie nahmen denselben Weg zurück, den sie gekommen waren, und Bast registrierte ohne wirkliches Erstaunen, dass Horus sein Netz aus Lügen und Täuschungen bereits hier draußen ausgeworfen hatte: Das einzig Echte an dem Fries, der sie vorhin so erzürnt hatte, war die Auswahl seiner Motive. Alles andere war eine geschickte Kopie, bei der die Künstler nicht einmal die Spuren des Alters und die typischen Beschädigungen vergessen hatten, die die Jahrtausende darin hinterlassen hatten. Horus hatte dazugelernt, eine Menge sogar. Oder diese Falle war wirklich sehr gründlich vorbereitet gewesen – was sie bei jemandem wie Horus nicht im Mindesten überraschen würde.
    Aber wie hatte er wissen können, dass sie hierherkam?
    Mrs Walshs Schritte wurden langsamer, je näher sie den beiden Wächtern kamen. Sie sagte nichts mehr, aber sie ging weiter – wenn auch langsamer werdend und auf dem letzten Stück tatsächlich mit angehaltenem Atem. Einer der beiden sah ihnen mit ausdruckslosem Gesicht, dafür aber umso aufmerksameren Blicken nach, während der andere weiter die Halle im Auge behielt.
    »Wieso … haben sie uns nicht aufgehalten?«, murmelte Mrs Walsh verstört.
    Bast antwortete erst,

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