Anwaltshure 4
typisch George!
»Tut mir leid. Ich habe heute Abend schon einen Gast«, erwiderte ich kühl.
»Ja. Ich weiß. Er hat mir erzählt, dass er süchtig nach dir ist!« Dabei grinste er mich an wie ein Junge, dem ein ganz besonders guter Streich gelungen ist.
»Wie geht’s Derek?«, fragte ich. Einzig und allein, um ihm seine gute Laune zu verderben.
Doch es misslang.
»Dem geht’s wunderbar. Warum auch nicht. Er bekommt eine wundervolle Frau und ein Kind gleich mit.«
Da konnte ich ihm nicht widersprechen. Der Moment schien mir passend, ihn auf meine Pläne anzusprechen. »Ach, George, wir müssen übrigens mal über Geschäftliches miteinander reden …«
Eine seltsame Starre kam in seinen Blick und ich ahnte, was seine Kontrahenten vor Gericht auszustehen hatten.
»Das wäre?«
»Ist was Längeres. Soll ich bei deinen Damen einen Termin holen?« Diese Spitze hatte ich mir nicht verkneifen können, und das Zucken in seinem Augenwinkel zeigte mir, dass ich getroffen hatte.
»Wenn du magst, komme ich Montagabend zu dir.«
»Einverstanden«, erwiderte ich und ließ mich lächelnd von einem der Ordner in die Kirche führen.
Das Kirchenschiff war erfüllt vom Summen der Gespräche, die sich mit dem beinahe betäubenden Duft der gewaltigen Buketts mischten, die überall aufgebaut worden waren. George hatte sich diese Hochzeit sicher ein Vermögen kosten lassen.
Als ich mich umdrehte, entdeckte ich ein ganzes Orchester auf der Empore und war beeindruckt. Ich umklammerte die Handtasche auf meinem Schoß, als enthielte sie einen Teil der Kronjuwelen. Mein Magen wurde immer enger. Und als ich Derek entdeckte, der mit seinem Best-Man aus der Sakristei kam, war er nicht mal mehr, als ein Pingpongball. Er trug einen maßgeschneiderten Cut. Der schlanke, hochgewachsene Körper perfekt zu dem Anzug passend. Eleganz, die nur durch seine wirren Locken gelockert wurde, die er nicht mal für diesen Anlass gebändigt hatte. Derek schien mir bleicher als gewöhnlich. Doch das war in Anbetracht der Ereignisse verständlich.
Gegen meinen Willen hatten meine Hände zu beben begonnen und ich hoffte, dass keiner meiner Platznachbarn dies bemerkte. Ohne, dass ich es verhindern konnte, standen plötzlich wieder jene Bilder vor meinem inneren Auge: Derek, mit den Folgen der Schussverletzung ringend. Die Art, wie er sich weinend in meine Arme geflüchtet hatte, nachdem er von Jays Tod erfahren hatte … Sein Toben und Wüten, das erst geendet hatte, als ich ihn gehalten hatte …
Es waren Bilder, Erinnerungssplitter, die mich beinahe die Fassung verlieren ließen.
Und nur das Einsetzen der Musik hinderte mich daran, jetzt, im letzten Moment, fluchtartig die Kirche zu verlassen. Augenblicklich trat tiefes Schweigen ein. Noch das eine oder andere verhaltene Husten, dann konnte es losgehen. Derek trat mit seinem Begleiter vor den Altar. Aufrecht und gefasst sah er aus. Die herrlichen olivgrünen Augen ruhten unter seinen langen, dunklen Wimpern. Wie gut ich diese Augen kannte, wie oft ich sie angesehen hatte und mich an den goldenen Sprenkeln nicht hatte sattsehen können.
Die Kirchentür, die gerade eben geschlossen worden war, öffnete sich und wie auf ein geheimes Kommando hin, drehten sich alle Anwesenden um. Ich schien die Einzige zu sein, deren Blicke sich nicht vom Bräutigam lösen konnten und deren Herz wie in einem Schraubstock langsam zusammengepresst wurde.
Ein leichtes Tippen an meinem Arm durch meinen Sitznachbarn brachte mich in die Gegenwart und ich folgte den anderen, indem ich mich ebenfalls umdrehte.
Laura!
Schön wie ein Engel! Ihr Kleid, ein Traum aus weißer Spitze. Die Ärmel lang und schmal. Das Oberteil bis zur Taille eng anliegend, wo es dann weit und glockig bis zum Boden floss. Hinten noch üppiger gelegt als vorn, lief der Saum in eine lange Schleppe aus.
Begleitet von ihrem Vater, betrat sie das Kirchenschiff. Man glaubte, das Rauschen des Stoffes zu hören, als sie sich langsam, gemessenen Schrittes, dem Altar näherte. Doch irgendetwas an diesem Bild stimmte nicht. Es blitzte kurz in meinem Kopf auf und verschwand wieder. Hinterließ lediglich ein zufriedenes Gefühl, das ich nicht einordnen konnte.
Es fiel mir schwer, den Moment abzuwarten, bis sie an meiner Reihe vorbei war und ich endlich wieder nach vorn schauen konnte. Dereks Miene hatte sich wenig gewandelt, seit er sie gesehen hatte.
Bei den aufgestellten Schemeln angekommen, überreichte sie einer Brautjungfer ihren Strauß aus
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