Anwaltshure 4
redete!Ich sah mich bereits im dunkelblauen Chanel-Kostüm an einem gläsernen Schreibtisch sitzen und die Buchhaltung überprüfen.
War das wirklich eine Option? Mich von meinem alten Leben verabschieden? Suchte ich zuerst auch hundert Einwände gegen Alexanders Idee, spürte ich doch unter jenen Schichten des Widerspruchs eine gewisse Sympathie für seinen Vorschlag. Eine neue Perspektive. Vielleicht war es wirklich Zeit für einen Neuanfang.
Mein Weg führte mich automatisch zu meinem Briefkasten, so wie jeden Tag. Während ich mit einem Lächeln auf den Lippen mich immer mehr mit dem Gedanken an einen Neuanfang anfreundete.
Als ich den Brief, den ich aus meinem Briefkasten zog, in den Händen hielt, wusste ich sofort, was da drin stand. Heiße Flammen züngelten von den Buchstaben und es war mir nur allzu klar, dass sie mich verbrennen würden, wenn ich sie sah.
Ich schloss die Augen, schob den Daumen unter die Lasche und riss den Umschlag auf. Entschlossen zog ich die dicke Karte heraus und öffnete die Augen. Elegant geschwungene schwarze Buchstaben schlugen mir entgegen:
Mr. und Mrs. George McLeod, O.B.E. würden sich sehr über die Ehre Ihrer Anwesenheit anläßlich der Vermählung ihres Sohnes Derek mit Miss Laura Anne Edwards freuen.
Diese findet am 3. Januar in der St. George´s Chapel,
Windsor, statt.
Um Antwort wird gebeten.
Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen. Sie zerflossen wie Tinte im Herbstregen. Wieder und wieder wanderten meine Blicke über diese Zeilen. Unmerklich begannen meine Hände zu beben. Ich blinzelte, um wieder klar sehen zu können.
4. Schlicht, elegant, nicht zu sexy
In Paddington Station herrschte die übliche wochentägliche Betriebsamkeit. Man eilte zum Zug oder zur Tube. Der Boden war überzogen mit schmutzigem Schneematsch, den die Reisenden von der Straße unablässig hereintrugen.
In den Läden waren die Weihnachtsdekorationen verschwunden und hatten den Glückwünschen für ein gutes neues Jahr Platz gemacht. Der übliche Versuch, die Kunden in Kauflaune zu halten, und das, obwohl sie bereits für Weihnachten genug Geld ausgegeben hatten.
Ich war auf dem Weg nach Knightsbridge. Nachdem ich aus der Tube ausgestiegen war, wanderte ich mehr oder minder ziel- und lustlos an den Schaufenstern von Nobelboutiquen und Kaufhäusern vorbei. Selten genoss ich es so wenig, ein Kleid kaufen zu müssen. Ohne jede Inspiration stand ich vor den blankpolierten Türen von Harrod’s . Hier würde ich sicher fündig werden.
Der livrierte Türsteher öffnete für mich und ließ mich eintreten. Als ich aber die Trauben von Touristen sah, die sich an den Ständern vorbeidrückten, hatte ich plötzlich keine Lust mehr. So suchte ich mir eine kleine Boutique, in der ich schon öfter etwas Nettes erstanden hatte. Die Inhaberin erkannte mich sofort und begrüßte mich warmherzig. Sie war eine äußerst attraktive Mittfünfzigerin. Das glatte schwarzbraune Haar hatte sie straff nach hinten gekämmt, wo es im Nacken von einer breiten Spange gehalten wurde. Sie trug einen cremefarbenen Rollkragenpullover aus Kaschmir, dazu eine passende Holzperlenkette in Herbsttönen, die die Farben ihrer Hose aufnahmen.
»Miss Hunter … Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich brauche etwas für eine Hochzeit.«
Sie blickte leicht verwundert. »Ähm … Brautmoden führe ich leider nicht.«
Es fühlte sich an, wie ein leichter Schlag in die Magengrube.
»Nein«, fasste ich mich so schnell als möglich, »… ich bin lediglich Gast.«
Jetzt strahlte ihr Gesicht. Sie streckte den Arm aus und deutete auf den hinteren Bereich der Geschäftsräume, dort, wo die Festmode präsentiert wurde. »Ich habe gerade in der letzten Woche ein paar sehr schöne Kleider hereinbekommen. Wenn Sie mal schauen möchten … Was haben Sie sich vorgestellt?«
»Schlicht, aber elegant. Nicht zu sexy. Knielang.«
Nachdenklich streifte ihre Hand über die aufgehängten Roben. »Da hätte ich etwas …«
Sie zog ein Kleid heraus, das aus flaschengrüner Seide gearbeitet war. Es hatte dreiviertellange Ärmel und lediglich einen Stoffgürtel unterhalb der Brust, der durch eine auffällige sonnenförmige Brosche geziert wurde. Dazu gehörte ein Mantel mit einem kleinen Stehkragen und ebenfalls dreiviertellangen Ärmeln. »Darunter wären dann ein paar lange schwarze Lederhandschuhe sehr schön.«
Ich nahm das Kleid und probierte es an. Ohne jeden Enthusiasmus stellte ich fest, dass es wie angegossen saß. Auch der Mantel sah
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