Apartment in Manhattan
würde. Jetzt ist auf jeden Fall nicht der richtige Zeitpunkt, um das Thema Sommer anzusprechen. Vielleicht beim Mittagessen.
Oder vielleicht sollte ich die ganze Idee auch einfach vergessen.
Ich meine, ihm in den Sommeraufenthalt zu folgen wirkt schon ein wenig verzweifelt, oder nicht? So, als ob ich Angst hätte, ihn zu verlieren, wenn er New York verlässt. So, als ob ich ihm folgen und auf ihn aufpassen müsste, damit er mich nicht betrügt.
Leider kommt das der Wahrheit ziemlich nahe.
Das mag daran liegen, dass ich ganz tief im Unterbewusstsein vermute, er hat mich bereits betrogen. Das hat nichts damit zu tun, wie er sich verhält oder was er sagt, es ist nur ein Gefühl, das mich manchmal überkommt. Mal mehr, mal weniger, also bilde ich es mir vielleicht auch einfach nur ein. Wie Raphael es immer ausdrückt, bin ich nicht gerade die Königin des Selbstbewusstseins.
Ich beobachte, wie Will Jeans, ein dickes Navy-Sweatshirt und Turnschuhe anzieht. Dann kämmt er ordentlich sein Haar und wendet sich mir zu.
„Fertig?“
Ich nicke, werfe die Zeitschrift auf den Boden und schnappe meinen Fleece-Pullover und die schwarze Tasche.
Während wir das Apartment verlassen greife ich nach Wills Hand. Er kann seine Zuneigung nicht sehr offen zeigen – er behauptet, in seiner Familie gehe es eher kühl zu. Da meine Eltern so ziemlich jeden in den Arm nehmen, der ihren Weg kreuzt, tendiere ich dazu, viel verschmuster zu sein, als ich vermutlich sollte. Doch Will ist inzwischen daran gewöhnt und drückt meine Hand ganz kurz, bevor er sie loslässt, um auf den Knopf des Fahrstuhls zu drücken – was er problemlos mit seiner freien Hand hätte tun können, aber vielleicht suche ich ja nur etwas, worüber ich mich ärgern kann.
In Wahrheit wünsche ich mir, dass Will genauso verrückt nach mir ist wie ich nach ihm. Und manchmal glaube ich sogar, dass es so ist – er weiß nur nicht, wie er es zeigen soll.
Zum Beispiel gab es mal eine Zeit, vor ein paar Jahren, wo er mich
meine Liebe
genannt hat.
Ui.
Wissen Sie, was ich meine? Er nannte mich
meine Liebe
, anstatt Schatz, Liebling oder Baby oder etwas in der Art zu sagen. Vielleicht meinte er es ja gut, aber es störte mich, weil für mein Empfinden ältliche Lehrerinnen ihre Lieblingsschülerinnen so nennen.
Ja, meine Liebe, du darfst auf die Toilette gehen, aber sei rechtzeitig für den Test zurück.
Es ist nicht im Geringsten liebevoll oder romantisch, zudem klang es so
gekünstelt
. Ich zuckte jedes Mal zusammen, wenn er es sagte, vor allem in der Öffentlichkeit, und ich hätte ihn am liebsten aufgefordert, es zu unterlassen. Schließlich hörte er von selbst damit auf. Vielleicht war ihm aufgefallen, dass ich ihn niemals
mein Lieber
nannte, oder vielleicht kam es ihm genauso unnatürlich vor wie mir.
Doch sobald er damit aufhörte, begann ich es natürlich zu vermissen. Es war wenigstens etwas gewesen.
Ich wünsche mir, dass er sich einen anderen Kosenamen für mich ausdenkt, doch ich weiß nicht, wie ich das Thema ansprechen soll. Ich kann doch nicht einfach damit herausplatzen: „Weißt du, was mich wirklich glücklich machen würde? Wenn du mich Schnuckel oder Schätzchen nennen würdest.“
Was mich in Wirklichkeit auch gar nicht glücklich machen würde. Aber Sie wissen, was ich meine. Ich glaube, ich sehne mich einfach nach mehr, als wir haben. Und jetzt, wo Will fortgehen will, spüre ich das dringende Bedürfnis, unsere Beziehung zu festigen.
Ich vermute, drei Jahre zusammen zu sein, ist schon ziemlich gefestigt. Doch ich bin bereit für mehr. Ich kann nichts dagegen tun.
Als Will einen Mitbewohner suchte und eine Anzeige in der
Village Voice
aufgab, war ich tief verletzt. Ich hatte gehofft, dass er darüber nachdenken würde, mit mir zusammenzuziehen. Nach viel gutem Zureden von Kate und Raphael hatte ich sogar eines Abends all meinen Mut zusammen genommen und beschlossen, das Thema anzuschneiden – aber bevor ich noch den Mund öffnen konnte, erzählte er mir von Nerissa.
Also, lassen Sie uns mal kurz einen Schritt zurücktreten und die Situation, wie sie sich momentan darstellt, neutral bewerten.
Ein gut aussehender, muskulöser, beziehungsunfähiger Schauspieler, der dabei ist, die Stadt zu verlassen.
Eine übergewichtige, unsichere, beziehungsbesessene Sekretärin, die zurückgelassen wird.
Ich habe dabei einfach kein gutes Gefühl.
Aber das hält mich nicht davon ab, im Coffee-Shop an der Ecke von Wills Gebäude den Cheeseburger mit
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