Matharis Kinder (German Edition)
Prolog
Es war einmal ein Volk, man nannte es das Volk der Kleinen Leute , das lebte überall in der ganzen Welt.
Dieses Volk hatte eine überaus wichtige Aufgabe: Zu Anbeginn der Zeit hatte ihm der Weltenschöpfer eine ganz besondere Blume in Obhut gegeben, die erste Blume der Großen Erdenmutter Mathari, aus der alle anderen Blumen entstanden waren. Die Kleinen Leute gaben ihr darum den Namen Mathari-Blume und pflegten und hüteten sie auf der ganzen Welt. Das war eine schwere, manchmal sogar gefährliche Arbeit. Denn die anderen Menschen sahen diese Blume als Unkraut an und versuchten fast überall, sie auszurotten.
Sie ahnten nicht, dass das Leben aller Pflanzen von dieser Blume abhing.
So konnte es geschehen, dass Bäume und Sträucher, ja sogar das Gras auf der Wiese und das Gemüse im Garten plötzlich schwach und krank wurden. Weshalb das so war, wusste niemand.
Diese Zeichen geschahen immer dann, wenn die letzte der Mathari-Blumen in dieser Gegend verschwunden war.
Dann versammelten sich die Blumenhüter an einem geheimen Ort und berieten, was zu tun war. Bei Nacht und Nebel trugen sie neue Sämlinge hinaus an geschützte Stellen. Dort hüteten sie deren Wachstum, bis die ersten Mathari-Blumen verblüht waren.
So wichtig war die Aufgabe der Blumenhüter. Sie lernten früh, klug und mutig zu sein und taten ihre Arbeit unerkannt und in aller Stille.
Die Kleinen Leute waren gut gerüstet für ihre Arbeit. Schon bei ihrer Geburt bekamen sie einen wunderbaren Schutz, der sie beinahe unverwundbar machte.
In jeder Siedlung lebte ein Mann, den sie den Schmied nannten. Dieser Mann schmiedete jedoch weder Waffen noch Werkzeuge.
Immer, wenn ein Kind der Blumenhüter im Leib seiner Mutter zu wachsen begann, ging der Schmied mit schweren Schritten hinunter in seine Werkstatt. Diese lag tief unter der Erde verborgen.
Dort begann er eine winzige Rüstung zu schmieden.
Er verwendete dazu kein gewöhnliches Metall. Schimmernd und biegsam war es, beinahe durchsichtig und dabei widerstandsfähig und zäh. Es vermochte den kleinen Körper und auch die Seele vor fast allen Gefahren zu schützen.
Nur der Schmied kannte das Geheimnis dieses wunderbaren Stoffes.
Wenn das Kind geboren war, hatte auch der Schmied seine Arbeit vollendet. Er hüllte sich in seinen Zaubermantel, der ihn unsichtbar machte, und besuchte noch in der ersten Nacht das neben seiner Mutter schlafende Neugeborene.
Behutsam, ohne dass Mutter oder Kind erwachten, legte er dem kleinen Blumenhüter die geheimnisvolle, silbern schimmernde Rüstung an.
Mit dem Kind wuchs auch die Rüstung. War sie zuerst wie eine zweite Haut, wurde sie mit den Jahren zu einem Teil der Haut.
Mit diesem Schutz konnten die erwachsenen Blumenhüter tapfer, treu und mutig ihre Aufgabe erfüllen.
So war es in den allermeisten Fällen.
Manchmal aber war es anders.
Es gab Zeiten, da wurden bei den Blumenhütern viele, sehr viele Kinder geboren. Der Schmied hatte dann Tag und Nacht zu tun. Das machte ihm nichts aus. Er sparte seine Müdigkeit in einer goldenen Büchse auf, bis er wieder genug Zeit zum Schlafen hatte.
Doch in diesen Zeiten wurde der kostbare Stoff, den er für seine Arbeit brauchte, knapp. Dann waren die letzten der Rüstungen nicht mehr vollkommen. Es gab dünne Stellen, wo der Schmied versucht hatte, das geheimnisvolle Material zu dehnen, damit es doch noch ausreichte.
Wenn ein Kind eine solche Rüstung erhielt, bemerkte das zunächst niemand. Erst später, wenn das Kind wuchs und mit ihm die Rüstung, gab es da und dort ganz feine Risse und Löcher. Und noch später, wenn das Kind sein Heim verließ, konnte es geschehen, dass es durch die vielen Gefahren, die draußen überall lauerten, verletzt wurde.
Auch Torian hatte eine unvollkommene Rüstung bekommen. Er lebte im einem Land, von diesem man sagte, es läge mitten im Herzen der Welt. Er war ein lieber Bub mit einem guten und reinen Herzen und vielen schönen Eigenschaften. Je größer er wurde, umso häufiger war er jedoch unzufrieden, manchmal traurig oder schlecht gelaunt, und er wusste nicht warum.
Ihn plagten die Verletzungen, vor denen ihn seine Rüstung nicht immer bewahren konnte. Sie fraßen sich in seinen kleinen Körper, in sein Herz. Wirklich weh tat ihm dies nicht. Doch es brachte ihn so durcheinander, dass er manchmal ganz verzweifelt war.
Seine Eltern und seine Lehrer wurden immer ratloser.
Oft sah es aus, als könnten die Verletzungen wieder
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