Apocalypsis 1 (DEU)
haben.«
Peter hatte während des Gesprächs mit dem Jesuiten nicht bemerkt, dass Maria den Raum verlassen hatte. Er fand sie betend in der Kapelle des Klosters. Für einige Momente verhielt er sich ganz still, um sie in Ruhe zu betrachten. Sie wirkte ruhig und vollkommen versunken. Die Frau, die mit ihm in die päpstliche Wohnung eingebrochen und die vor einer knappen Stunde nur knapp einem entsetzlichen Tod entgangen war. Und nun kniete sie dort vorne in der Bank und betete zu ihrem Gott, an den Peter nicht mehr glaubte. Dennoch beneidete er sie plötzlich um den Frieden, den sie im Gebet fand.
Plötzlich brach sie ihr Gebet ab und wandte sich zu ihm um. Nicht erschrocken, sondern ruhig und mit einem Schimmer auf dem Gesicht, der sie noch schöner erscheinen ließ.
»Ich wollte dich nicht stören«, entschuldigte sich Peter.
»Du störst nicht.« Sie blieb in der Bank sitzen und sah ihn weiter unverwandt an, als erwarte sie irgendetwas von ihm. Peter trat näher und setzte sich neben sie.
»Wolltest du beten?«, fragte sie.
Peter schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht an Gebete.«
»Woran glaubst du denn dann?«
Die Frage überrumpelte Peter.
»An nichts«, erwiderte er und kam sich wie ein Schüler vor, der bei einer Prüfung die idiotischste aller Antworten gab.
»Aha.« Sie wandte sich wieder dem Altar zu. »Und warum bist du dann gekommen?«
»Ich muss nach Clairvaux. Don Luigi hat eine Spur.«
Sie sah ihn wieder an. Ernst und durchdringend.
»Hast du diese Frau getötet, Peter?«
Peter seufzte. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, was in diesen vier Stunden passiert ist. Aber wenn ich meine Unschuld beweisen will oder auch nur, dass ich nicht verrückt bin, dann muss ich herausfinden, was hinter all dem steckt.«
»Du wirst überall gesucht.«
»Ich weiß.«
Sie dachte nach. Dann streckte sie plötzlich die Hand aus und berührte ihn sacht an der Wange. Eine fast flüchtige Berührung, die Peter dennoch auf der Haut brannte.
»Du hast mir das Leben gerettet.«
»Du ja auch meins.«
»Alleine wirst du das nicht schaffen. Ich fahre mit dir.«
Peter sah sie überrascht an. »Keine gute Idee. Hier bist du viel sicherer.«
»Nein«, widersprach sie. »Als dieser Mann mir die Klinge an den Hals gesetzt hat, habe ich etwas verstanden. Dass dieser Mann niemals aufgeben wird. Dass er mich weiter suchen und töten wird. Solange wir nicht wissen, was hier vorgeht, bin ich in Rom genauso wenig sicher wie du.«
»Maria, ich …«
Sie schnitt ihm ungehalten das Wort ab. »Das ist keine Bitte. Ob ich will oder nicht, wir sind aneinander gebunden. Ich werde mitkommen.«
Und wieder dieser Schimmer aus Frieden und tiefer Entschlossenheit auf ihrem Gesicht. Peter lächelte sie an und nickte.
»Die Frage ist nur«, begann er wieder, »wie kommen eine Nonne und ein Mann, der wegen Mordes und Terrorverdachts gesucht wird, von Rom nach Clairvaux?«
Jetzt lächelte auch sie, und Peter bat den Gott dieser Kapelle, dass sie nie mehr aufhören möge, so zu lächeln.
»Mit Gottes Hilfe«, sagte sie.
XXXI
EIN JAHR ZUVOR …
8. Mai 2010, Vatikanstadt
J ohannes Paul III. und Don Luigi setzten ihr Gespräch unter vier Augen in der Privatbibliothek des Papstes fort. Johannes Paul III. öffnete das Fenster zum Hof und schob seinem Gast einen Aschenbecher über den Tisch. Obwohl im gesamten Vatikan ein strenges Rauchverbot galt, zündete sich der Jesuit eine MS an, eine morto sicuro – sicherer Tod , wie die nationale Zigarettenmarke im italienischen Volksmund hieß. Johannes Paul III. rauchte selbst zwar nicht, aber er kannte seinen obersten Exorzisten, den er in den letzten Jahren als päpstlichen Sondergesandten in heikelsten Missionen um die Welt geschickt hatte.
»Ich brauche Sie, Don Luigi«, begann er, während Don Luigi seine ersten Züge am Fenster tat. »Sie sind mir in den letzten Jahren bereits eine große Stütze gewesen. Aber ich werde Sie noch viel weiter bemühen müssen. Möglicherweise bis an den Rand Ihrer Kräfte.«
»Verfügen Sie nach Belieben über mich, Eure Heiligkeit«, sagte Don Luigi und sah den Papst an, dem irgendetwas auf der Seele zu lasten schien.
»Ich will nicht drum herum reden, Don Luigi. Was ich bald von Ihnen erwarte, könnte Ihr Leben gefährden.«
»Mein Leben gehört der Kirche, Heiliger Vater. Ich fürchte mich nicht.«
Johannes Paul III. blickte seinen Chef-Exorzisten durchdringend an. »Nein, Don Luigi, Sie fürchten
Weitere Kostenlose Bücher