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Apocalypsis 1 (DEU)

Apocalypsis 1 (DEU)

Titel: Apocalypsis 1 (DEU) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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Hasspredigern besprochen?«
    »Beruhigen Sie sich, Kardinal. Ich werde Sie zu gegebener Zeit informieren.«
    »Ich warne Sie, Eure Heiligkeit«, presste Menendez hervor. »Missbrauchen Sie dieses Amt nicht für persönliche politische Machtspiele zum Schaden der Kirche.«
    Jetzt erhob sich der Papst aus seinem Stuhl und sah seinen Kardinalstaatssekretär kalt an.
    »Was erlauben Sie sich, Kardinal? Glauben Sie, ich lasse mir drohen? Von Ihnen oder sonst wem?«
    Menendez erkannte, dass er zu weit gegangen war und schwieg. Johannes Paul III. streckte seine Hand mit dem Fischerring aus und nötigte Menendez damit zu einer Unterwerfungsgeste, die im täglichen Ablauf zwischen Papst und Kardinalstaatssekretär völlig unüblich war.
    »Sie dürfen jetzt gehen, Kardinal.«
    Menendez beugte sich der Macht des Papstes. Er deutete einen Kniefall an und küsste den Ring.
    »Eure Heiligkeit.«
    Johannes Paul III. reichte dem spanischen Kardinal noch eine kleine Aktenmappe.
    »Lesen Sie das bis heute Nachmittag. Es sind Vorschläge die Organisation der neuen Kongregation für den interreligiösen Dialog. Ich werde dazu fünf neue Kardinäle ernennen. Einen davon dürfen Sie vorschlagen. Ich nehme an, er wird wie üblich aus den Reihen des Opus Dei stammen.«
    Gegen Mittag zog sich Johannes Paul III. wieder in seine Wohnung zurück, wo seine Haushälterinnen bereits den Tisch eingedeckt hatten. Johannes Paul III. liebte die römische Küche, pasta all amtriciana mit viel Zwiebeln und Speck, Artischocken aus dem Ofen und frischen Branzino von der nahen Küste. Dazu trank er gerne ein Glas sizilianischen Regaliali. Hin und wieder jedoch überkam ihn zum Entsetzen der italienischen Köchinnen das Heimweh und damit verbunden ein ungezügelter Appetit auf deutsche Hausmannskost und ein Pils. Dann kam die Stunde von Sophia Eichner.
    Die schlanke Rheinländerin, der man ihre sechzig Jahre nicht ansah, galt als Vertraute des Papstes mit eigener Meinung. Sie kannten sich bereits aus der Schulzeit, und Sophia Eichner hatte für kurze Zeit den Haushalt von Franz Laurenz geführt. Als Laurenz nach Rom umsiedelte, zog auch sie wie selbstverständlich mit um, lektorierte seine Bücher und ging ansonsten ihrem eigentlichen Beruf als Ärztin nach. Sophia Eichner war ein unabhängiges Wesen.
    Und sie war evangelisch.
    Das allein hatte in Rom schon fast einen Skandal ausgelöst. Und natürlich gab es Gerede, wie selbstverständlich die Deutsche im Apostolischen Palast ein und ausging und sogar gelegentlich bis spät abends im Appartamento blieb. Die kuriale Schlangengrube aus Neid, Intrigen und Lästerei witterte bereits eine Schattenpäpstin – nicht die erste in der Geschichte. Alexander Duncker spielte jedoch mit offenen Karten, meldete jeden Besuch der Presse und erklärte unermüdlich, dass der Papst Signora Eichner als alte, unabhängige Vertraute schätze und mit ihr an seinem neuen Buch arbeite.
    Was vollkommen der Wahrheit entsprach.
    Nebenbei schadeten gewisse Gerüchte dem Papst in Rom durchaus nicht. Zumindest schien damit seine sexuelle Orientierung geklärt. Denn das war die Kardinalfrage im Vatikan, der wahre Graben, der die Kurie wie eine tektonische Verwerfung spaltete: gay oder hetero?
    Da von Sophia Eichner jedoch offenbar keine direkte Gefahr für den Zölibat und den Bestand der katholischen Kirche ausging, verstummten die Spekulationen allmählich, und die Kurie und die römische Gesellschaft gewöhnten sich an die stets freundliche deutsche Signora auf der roten Vespa. Sie blieb deutlich sichtbar, aber sie gab niemals Interviews oder erschien je auf gesellschaftlichen Empfängen. Sie blieb weiter, was sie war: ein unabhängiger und respektierter Bestandteil des Vatikans.
    »Was haben sie gesagt?«
    »Nun, sie waren zu höflich, um mich auszulachen. Aber natürlich misstrauen sie mir. Ich glaube, Chaim Kaplan hält mich sogar für verrückt. Der Papst mit dem Symboltick.«
    Johannes Paul III. vermengte zum Entsetzen seines Kammerherrn etwas Kartoffelpüree mit Sauerkraut, das er sich mit größtem Appetit in den Mund schaufelte.
    »Mmmmm! Köstlich, Sophia! Wie damals bei deiner Mutter! Wo treibt man Sauerkraut in Rom auf?«
    »Im Asia-Laden.«
    Der Papst lachte und strahlte Sophia Eichner und seinen anderen Tischgast an, der höflich in dem deutschen Essen herumpickte und nur das Kassler aß.
    »Menendez hat natürlich getobt. Aber was soll’s. Ich wette, er zieht bereits wieder seine Strippen, um herauszufinden, was da

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