Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
Zentrale des Opus Dei, Rom
D as fünfstöckige Eckhaus in der Viale Bruno Buozzi war so unscheinbar, so ganz und gar unauffällig, dass niemand, der es nicht genau wusste, hier die Zentrale der mächtigsten Diözese der Welt vermutet hätte. Aber das Opus Dei legte ohnehin keinen Wert auf Publicity. Das Schweigen des Ordens, in der Presse gerne mit der Omertà der Mafia verglichen, war so legendär wie der Reichtum des Ordens, die blutigen Selbstkasteiungsriten der Numarier oder die Verstrickung des Opus in die Weltpolitik und Hochfinanz. Kaum eine Verschwörungstheorie, die nicht irgendwann das Opus Dei als Drahtzieher einer neuen Weltordnung ausrief. Die sektenartige Struktur des Opus, das seinen Gründer Jose Maria Escrivá de Balaguer auf eine Stufe mit Abraham und Christus stellte, das Schweigen, das Machtstreben und der elitäre Anspruch des Ordens, die »Elite Gottes« zu sein, befeuerten die Mythenbildung. Papst Johannes Paul II. hatte dem Orden Anfang der achtziger Jahre den in der Kirchengeschichte einmaligen Status einer Personalprälatur verliehen, nachdem das Opus Dei die Vatikanbank mit einer Milliardenhilfe vor dem Bankrott bewahrt hatte. Woher das Vermögen des Opus stammte, wusste außerhalb der Mauern jenes unscheinbaren Eckhauses in der Viale Bruno Buozzi niemand. Nicht einmal Franz Laurenz, der sich das Opus während seiner Amtszeit als Papst zu einem erbitterten Feind gemacht hatte, weil er versucht hatte, die Macht des Ordens zu zerschlagen. Und nichts weniger hatte er immer noch vor, als der schwarze Alfa der Schweizergarde in einen schmucklosen und bedrückend engen Innenhof einbog, zu eng zum Wenden.
Laurenz stieg aus, sah sich kurz um. Hinter den Fenstern des Gebäudes keinerlei Bewegung. Ein junger Numarier in schwarzer Soutane trat aus dem Gebäude, blieb regungslos in der Tür stehen. Laurenz ging auf ihn zu.
»Der Wagen kann hier nicht stehen bleiben.« Der Numarier sprach Italienisch mit spanischem Akzent. Kein Gruß, nicht ein Anflug von Höflichkeit.
»Doch«, sagte Laurenz unbeeindruckt und sah den blassen Numarier an. »Und er wird genau hier auf mich warten.«
Der Numarier schien kurz zu überlegen, was er tun sollte, wich dann Laurenz’ Blick aus und deutete schließlich auf den Aktenkoffer.
»Öffnen!«
Laurenz ließ die Schlösser aufschnappen und gestattete dem jungen Spanier einen prüfenden Blick.
»Folgen Sie mir.« Der Numarier wandte sich um und führte Laurenz in einen nüchtern eingerichteten Salon im dritten Stock. Er bat ihn zu warten und zog die Tür hinter sich wieder zu. Laurenz sah sich um. Eine kleine Sitzgruppe, ein Regal mit alten Handschriften, drei kleine Renaissancegemälde, an der gegenüberliegenden Wand ein großes Holzkreuz. Der Raum wirkte wie selten benutzt, geradezu vergessen. Laurenz vermutete dennoch, dass das Opus gerade hier seine wichtigen Gespräche führte und man ihn die ganze Zeit schon über versteckte Kameras beobachtete. Und warten ließ. Also wandte er den Kameras den Rücken zu und betrachtete die Gemälde, die allesamt das Leben eremitischer Mönche darstellten.
»Ich gestehe, dass ich überrascht bin, Señor Laurenz.«
Bischof Santillana trat in Begleitung eines weiteren Numariers ein, der ein Tablett mit einer Karaffe Wasser und zwei Gläsern abstellte und sich dann sofort wieder entfernte. Ohne Eile wandte Laurenz sich von den Bildern ab.
»Paolo Uccello«, sagte er und deutete auf die Bilder.
»Richtig!«, entgegnete Santillana, als hätte er dem Deutschen so viel Kenntnis nicht wirklich zugetraut. Xavier Santillana war Mitte siebzig und hätte einem Bildnis von El Greco entsprungen sein können. Groß, blass, asketisch, ein langgezogenes kastilisches Gesicht voller Schwermut und Heimtücke. Er trug eine schwarze Soutane mit purpurner Schärpe und bewegte sich mit der Anmut eines Reptils. Ruckartige, sparsame Bewegungen, die sofort wieder einfroren. Laurenz wusste, dass Santillana einer der ältesten und einflussreichsten Familien Spaniens entstammte. Bis kurz vor seinem Rücktritt hatte Laurenz sogar angenommen, dass die »Träger des Lichts« nur den verlängerten Arm des Opus Dei bildeten, und Seth lediglich eine Marionette von Santillana sei. Eine fatale und beinahe tödliche Fehleinschätzung des Gegners. Was nicht bedeutete, dass der Prälat des Opus Dei ungefährlich war. Im Gegenteil.
»Uccello erkannte mehr Wirklichkeit in der Geometrie als in der Farbe«, sagte Santillana und warf einen kurzen Blick auf
Weitere Kostenlose Bücher