Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
Peter seinen Zwillingsbruder auf dem Plastikstuhl sah, durchfuhr ihn eine Welle großer Wärme und zugleich tiefer Schmerz. Als ob sie beide nicht nur die Erinnerungen ihrer Kindheit teilten, sondern die eines ganzen gemeinsamen Lebens – bis ins Alter hinein. Eine Verbundenheit stärker als der Tod. Die Gewissheit, eins zu sein.
Etwas schien von Nikolas abzufallen, als er seinen Bruder sah. Er erhob sich, trat auf Peter zu und umarmte ihn. Peter erwiderte die Umarmung, wollte sich dann aber rasch wieder freimachen, wollte nur fort von hier, egal wohin. Doch sein Bruder ließ ihn nicht los, hielt ihn einfach weiter fest, drückte ihn noch enger an sich. Peter zitterte, dachte kurz daran, sich brüsk loszureißen, aber das erschien ihm irgendwie peinlich vor den Augen des Botschaftsangestellten. Also umarmte auch er seinen Bruder weiter, roch sein Aftershave, den Stoff seines Anzugs, den vertrauten Geruch in der Halsbeuge. Und dann gab irgendetwas in seinem Inneren nach, brach knirschend in sich zusammen und wich einer großen Flut. Peter merkte nur noch, wie ihn alle Kraft verließ. Er sackte in sich zusammen, aber Nikolas hielt ihn aufrecht, hielt ihn die ganze Zeit fest, während Peter in Krämpfen zuckte, schluchzte, weinte und Schmerz und Verzweiflung in den Nacken seines Bruder schrie. Und Nikolas ließ ihn nicht los, bis Peter nur noch wimmerte. Sanft leitete Nikolas ihn zu einem der Plastikstühle.
Als er sich keuchend wieder aufrichten und gehen konnte, brachte Nikolas ihn aus dem Gebäude, hinaus in die römische Augusthitze, wo ein schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben sie bereits erwartete. Nikolas bugsierte Peter auf den Rücksitz und überließ es dem Fahrer, sich um den Koffer zu kümmern.
Sie sprachen erst, als der Wagen bereits auf die Umgehungsautobahn einbog und Peter wieder etwas ruhiger atmete. Nikolas öffnete eine Klappe zwischen den Sitzen und reichte ihm eine kleine Mineralwasserflasche aus einer verborgenen Kühlbox. Erst jetzt merkte Peter, wie durstig er war, und trank das Wasser in einem Zug. Danach fühlte er sich zwar nicht besser, aber immerhin bereit, sich den Dingen zu stellen.
»Wohin fahren wir?«
»Kommt drauf an, ob du dich noch ausruhen willst.«
»Bevor was passiert?«
Nikolas atmete tief durch. »Ich muss dir etwas zeigen.«
»Hat das nicht Zeit?«
»Leider nein. Aber wenn du noch Ruhe brauchst …«
Peter schüttelte langsam den Kopf. »Wozu.« Er sah sich im Innenraum des Wagens um. S-Klasse. Die gesamte Ausstattung vom Feinsten. Leder, Edelholz, Minibar. Der Fahrer steuerte den Wagen trotz der hohen Geschwindigkeit fast geräuschlos über die Autobahn und dann hinein in den römischen Verkehr.
»Dein Dienstwagen?«
Nikolas nickte, als sei das eine belanglose Nebensache. »Gehört zum Fuhrpark der Kongregation.«
»Was bist du? Kardinal? Hab ich was verpasst?«
»Nein. Ich bin Prälat. Mittleres Management, würde man da draußen sagen.«
»Sieht mir eher aus wie Vorstandsetage. Also, was willst du mir zeigen?«
Nikolas zögerte, vermied Peters Blick und knetete seine Hände.
»Ich würde dir das gerne ersparen, Peter. Gott weiß, ich habe all die Jahre gehofft und gebetet, das alles möge dir, Ellen und Maya und jedem von uns erspart bleiben. Aber wie es aussieht, habe ich versagt. Es hat angefangen.«
Er wandte sich um und sah Peter direkt an, sein Gesicht nun grau und alt.
»Was hat angefangen, Niko?«, sagte Peter leise.
»Das Ende der Welt. Das ahnst du doch inzwischen, oder? Es sei denn, wir finden gemeinsam einen Weg, die Apokalypse noch aufzuhalten.«
Den Rest der Fahrt über sprach Nikolas kein Wort mehr, starrte nur abwesend aus dem Fenster. Genau die Haltung, die Peter früher oft zur Raserei gebracht hatte. Wenn Nikolas einfach aufhörte, mit ihm zu sprechen, manchmal mitten im Satz, sich in sich selbst verkroch, sich abkapselte von der Welt, mit seinen Gedanken irgendwo weit weg.
Die Fahrt endete an einem trutzigen ockerfarbenen Renaissancepalast zwischen Petersdom und der zugemauerten Porta Cavalleggeri, dessen Außenmauern zugleich die Staatsgrenze des Vatikans markierten. Als der Mercedes sich im Schritttempo näherte, öffnete sich ein massives Eisentor an der rechten Seite des Palastes und gab den Weg in eine Einfahrt frei, die zu einem kleinen Parkplatz führte.
»Was ist das für ein Gebäude?«, fragte Peter beim Aussteigen.
»Der Palazzo del Sant’Uffizio, mein Arbeitsplatz«, erklärte Nikolas nicht ohne einen Anflug von
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