Apocalypsis 3.02 (DEU): Point Nemo. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
und ausgestorben wirkte. Kaum Verkehr, kaum Menschen auf den Straßen zu sehen, nur in den kleinen Snackbars und Cafés drängten sie sich vor den Fernsehern. Als der Mercedes jedoch das Zentrum erreichte, sah Laurenz Menschen aus allen Richtungen zum Petersplatz strömen. Viele hielten Kerzen und Rosenkränze in der Hand und schienen zu beten. Und es wurden immer mehr. Hunderte. Tausende. Als hätte eine machtvolle Stimme sie zusammengerufen, um dem Untergang der Kirche beizuwohnen, oder als hätten sie alle begriffen, dass die Kirche sie in dieser Stunde nun brauchte. Polizeifahrzeuge sperrten die Via della Conciliazione und andere Zufahrtsstraßen zum Vatikan weiträumig für den Verkehr ab, aber gegen den Strom der Abertausenden waren sie machtlos. Der Wagen mit dem vatikanischen Kennzeichen kam nur noch im Schritttempo vorwärts. Als sie die Polizeisperren erreichten, durften sie ungehindert passieren. Der Gardist steuerte jedoch nicht den Vatikan direkt an, sondern setzte Laurenz am nordwestlichen Eckturm der Engelsburg ab, die inzwischen für die Öffentlichkeit gesperrt worden war. Er führte Laurenz rasch zum Eingang des Passetto di Borgo, jenes alten überdachten Fluchtweges, der die Engelsburg seit Jahrhunderten mit dem Apostolischen Palast verband. Für Laurenz nicht das erste Mal, dass er diesen Weg nahm. Nach seinem Rücktritt vor wenigen Wochen erst hatte er den Passetto in umgekehrter Richtung genommen, um unbemerkt aus dem Vatikan zu gelangen. Nun kehrte er auf dem gleichen Weg zurück. Nach Hause.
Auf der anderen Seite des Passetto wurde er bereits von Oberst Steiner erwartet.
»Ich habe im Augenblick nur eine Frage, Oberst Steiner: Ist es wirklich Kelly?«, sagte Laurenz anstelle einer Begrüßung.
»Ja, Meister. Wir haben seine Leiche geborgen. Es besteht kein Zweifel. Es ist Edward Kelly, und er ist tot.«
Laurenz atmete erleichtert auf. »Gut.«
Steiner führte ihn eilig durch die menschenleeren Flure des Apostolischen Palastes und gab Laurenz unterwegs einen knappen Lagebericht. Vor dem Fahrstuhl hielt er noch einmal inne.
»Wir sind einem Hinweis Seiner Heiligkeit nachgegangen und haben im Keller des Gärtnerhäuschens eine Art … Opferstätte entdeckt. Dort lag eine Leiche. Männlich. Mitte sechzig etwa.«
»Konnten Sie die Leiche identifizieren?«
Steiner zögerte. »Allem Anschein nach … handelt es sich dabei um … Peter Adam.«
Laurenz stöhnte. »Lassen Sie die Leiche an einen sicheren Ort bringen, damit Nakashimas Leute sich um die Identifizierung kümmern können.«
»Ist bereits veranlasst. Darf ich eine persönliche Frage stellen, Meister?«
»Bitte, Oberst.«
»Was ist mit Oberst Bühler? Ich meine … auch nach seinem Rückzug aus dem aktiven Dienst betrachten wir ihn hier immer noch als einen von uns.«
Laurenz nickte betrübt. »Es gibt leider keine guten Nachrichten. Oberst Bühler wurde bei einer Explosion in Seths Zentrale in Nepal getötet.«
Steiner zuckte mit den Wangenmuskeln und schluckte. »Dann hoffe ich, dass sein Tod nicht umsonst war.«
»Nein, das war er nicht. Ohne Urs Bühler wären wir bereits alle tot. Er war ein Held.«
Steiner nickte, als reiche ihm diese Information, und fuhr mit Laurenz hinauf in den dritten Stock, wo zwei Gardisten vor dem Appartamento Wache standen. Steiner tippte den siebenstelligen PIN-Code in das Gerät neben der Tür und ließ Laurenz eintreten.
»Ich bin in der Nähe, wenn Sie mich brauchen, Meister.«
Laurenz nickte und zog die Tür hinter sich zu.
Der alte Parkettboden roch vertraut nach Bohnerwachs, die Schränke im Flur atmeten Holz und Mottenkugeln aus, vermischt mit dem Duft von Leder, Büchern und alten Teppichen. Darunter der unbestimmbare Geruch der Jahrhunderte und der Last des Amtes. Einen Augenblick lang stand Laurenz einfach nur so im Flur, regungslos, atmete die vertrauten Gerüche ein und fragte sich, ob sein Rücktritt vor einigen Wochen nicht ein großer Fehler gewesen war. Der schwerste seines Lebens. Seth hatte ihn zwar erpresst, aber Laurenz fragte sich nun, ob er sich diesem Druck womöglich energischer hätte widersetzen sollen. Ein Räuspern unterbrach seine Gedanken.
»Willkommen zurück, Eure Eminenz.« Alfio stand am Ende des Flurs, als traue er sich nicht näher. Laurenz ging auf ihn zu und schüttelte ihm herzlich die Hand.
»Sprechen Sie mich mit Herr Laurenz an, Alfio. Ich bekleide keinerlei Amt mehr.«
Der Kammerdiener schüttelte entschieden den Kopf. »Nicht für mich,
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