Apocalypsis 3.08 (DEU): Orixàs. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
verschwundenen Buch Dzyan, Maria und Kardinal Santillana brauchte er eine schnellere Verbindung, Unterstützung und mehr Rechenpower. Aber offenbar ließ sich im ganzen Rabbinat partout weder ein weiterer Computer abzweigen noch jemand auftreiben, der von Perl-Scripts, Exploits, vSphere-Tools, SQL-Datenbanken, TOR-Netzwerken und Honey-pots auch nur den Hauch einer Ahnung hatte. Seit zwei Stunden kam Anselmo kaum voran. Bis auf eine Spur zu Kardinal Santillana. Das Gesichtserkennungsprogramm, das Amselmo in päpstlichem Auftrag für mehrere tausend Dollar von einer russischen Softwarefirma gekauft hatte, stöberte den Kardinalstaatssekretär auf einem Überwachungsvideo des Flughafens Ciampino, des kleineren der beiden internationalen römischen Flughäfen, auf. Der Kardinal war nur kurz zu sehen, aber für die Identifizierung reichte es. Er trug zivile Kleidung und war am Nachmittag ohne Begleitung an Bord einer Ferienmaschine nach Marokko gegangen, vermutlich mit einem gefälschten Pass. Aber das war reine Spekulation, denn an die Passagierlisten kam Anselmo im Augenblick nicht heran. Also wählte er den altmodischen Weg, rief die Fluggesellschaft an und gab sich als Journalist von Radio Vaticano aus, der eine Homestory über den Kardinal schreiben wolle. Müsse!
»Ich weiß, dass Sie mir das nicht bestätigen können, Signora, das ist auch gar nicht nötig, schließlich wissen wir ja, dass Seine Eminenz heute Nachmittag bei Ihnen eingecheckt hat. Ich würde nur gerne mit der Kollegin sprechen, die ihn abgefertigt hat. Ein O-Ton über das frische jugendliche Aussehen unseres Kardinals, ob er mit ihr geplaudert hat, ob er sich auf die verdienten Ferien freute, so was in der Art, Sie würden mir wirklich den Asinum retten.«
Aber keine Chance. Die Signora von der Fluggesellschaft ließ ihn eiskalt abblitzen. »Ci mandi un fax«, sagte sie nur kurzangebunden, ›Schicken Sie uns ein Fax‹. Der höfliche, aber unmissverständliche italienische Code für ›Sie können mich mal‹ .
Santillanas Maschine war inzwischen längst gelandet, der Kardinal konnte sonstwo sein. Anselmo versuchte, Kaplan anzurufen, damit der seine tollen Mossad-Kontakte spielen ließ, aber der Großrabbiner war nicht zu erreichen. Überhaupt schien das gesamte Rabbinat zu dieser nächtlichen Stunde wie ausgestorben, und die beiden blassen jungen Orthodoxen im Büro nebenan, die man ihm als Unterstützung oder Bewachung zugewiesen hatte, taten so, als verstünden sie kein Englisch. Anselmo ahnte schon den Grund. Sie mochten keine Jesuiten in alten Jeans und verwaschenen T-Shirts mit dem Schriftzug jesus is not bogus.
»Leute, ist mir total egal, was ihr von mir haltet, aber ihr habt eure Anweisungen, und hier geht es um Leben oder Tod! Ich muss mit dem Großrabbiner sprechen, und zwar jetzt gleich.«
Sie sahen ihn nur an beziehungsweise durch ihn hindurch, und beugten sich wieder demonstrativ über ihre Bücher. Fluchend zog sich Anselm in sein Büro zurück und konzentrierte sich auf seine beiden anderen Probleme. Maria zu finden hielt er im Augenblick für aussichtslos, außerdem suchte der Orden bereits nach ihr. Anselmo versuchte daher, sich vorzustellen, wie Santillana das Buch Dzyan in der kurzen Zeit, die der Papst in seinem Arbeitszimmer mit Nakashima telefoniert hatte, entwendet haben konnte. Der Papst war sich sicher gewesen, dass außer ihm niemand die Kombination des Safes kannte. Wie hatte Santillana den Safe dann geöffnet? Anselmo bedauerte jetzt, dass es im Apostolischen Palast keine Überwachungskameras oder Wanzen mehr gab. Dafür hatte Papst Johannes Paul III. schon während seiner ersten Amtszeit gesorgt, nachdem Mitschriften vertraulicher Gespräche an die Presse lanciert worden waren. Anselmo überlegte, wie viel Zeit der Dieb gehabt hatte, um unbemerkt in die Bibliothek zu gelangen, den Safe zu öffnen, wieder zu schließen und unbemerkt zu verschwinden, während der Papst nur zwei Räume weiter mit Nakashima telefonierte. Anselmo malte sich alle möglichen Szenarien aus, eines komplizierter als das andere. Am Ende blieb nur die Erklärung übrig, die ›Ockhams Rasiermesser‹ ihm lieferte, ein Sparsamkeitsprinzip der Forschung, demzufolge von allen möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts immer die einfachste Erklärung allen anderen vorzuziehen sei - so ungeheuerlich sie auch sein möge. Und die einfachste Erklärung war eben, dass der Papst das Buch selbst aus dem Safe genommen hatte. Fragte sich nur, warum
Weitere Kostenlose Bücher