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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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schleppen, das es hier im Umkreis gibt. Kann ich mich darauf verlassen?«
    »Hundertprozentig!«
    Ein Teil der ringförmigen Stadt gehörte zu einem kleinen Hotel mit rund hundert Betten. Es war etwa halb belegt, und Stapen bekam ein großes Zimmer, das mit allem erdenklichen Luxus eingerichtet war. Er blickte auf die kleine Ringuhr, die er gekauft hatte, dann sagte er zu Adagia Rouah:
    »Ich hole Sie in zwei Stunden ab. Einverstanden? Und Sie überlegen sich, wo wir möglichst ruhig und angenehm sitzen können!«
    Sie küßte ihn flüchtig auf die Wange und nickte. Sämtliche Männer in der Hotelhalle sahen ihr nach, als sie auf den Korridor hinaustrat.
    Im sinkenden Licht des Abends sahen sie unter sich die Ebene liegen. Sie wurde von dem Bergzug abgeschlossen, auf dessen gegenüberliegender Seite heute morgen Stapen Crau 36 das geheimnisvolle Land betreten hatte. Die weite Ebene war eine Landschaft der Zerstörung. Sie bestand aus abgerundeten Hügeln und flachen Tälern. Die bewaldeten Regionen, aus dieser Höhe einigermaßen gut sichtbar, erstreckten sich wie die Amöben, auseinanderfließend und sich von Jahr zu Jahr weiter ausbreitend, mit den Städten als Mittelpunkt, ins Land hinaus. Die Vegetation faßte meterweise Fuß auf diesem verödeten Land. Und das sollte der Kontinent sein, auf dem es noch Leben gab. Wie sahen dann die anderen aus?
    Der letzte Wein stand in den Gläsern. Vor der Scheibe des Fensters brannte eine weiße Kerze.
    »Einer der schönsten Abende, die ich je erlebt habe!« sagte Stapen leise und lächelte Adagia an.
    »Er ist noch nicht zu Ende«, sagte sie. »Ein Kaffee bei mir?«
    »Das ist gewöhnlich der Kaffee, bei dem ich den Rest meiner Beherrschung verliere!« sagte er.
    »Damit rechne ich natürlich!« erklärte Adagia. »Gehen wir?«
    »Ein kleiner Spaziergang?« fragte er und deutete auf den erleuchteten Dachgarten, der sich fast über die Hälfte der gesamten Spirale hinzog.
    Stapen hatte seine Karte bereits abgegeben. Sie standen auf und gingen. Selbst unter den jungen, hervorragend angezogenen und selbstbewußten Menschen in diesem kleinen Lokal fielen sie auf.
    Das Mädchen Adagia? Ein Rückfall, gewiß. Aber kein Verrat an Amarylis. Er würde sie in wenigen Tagen verlassen, um viele Informationen reicher. Er nahm ihre Hand. Sie gingen zusammen etwa eine halbe Stunde lang durch den Park, vorbei an Brunnen und Lichtinseln, an Liebespaaren und unter einem Himmel, dessen Sterne dunkelrot flimmerten.
    Am Rand einer Balustrade küßte Stapen das Mädchen. Sie hatte darauf gewartet. Schweigend und ineinander versunken legten sie den restlichen Weg bis zum Lift zurück, betraten die Wohnung von Adagia Rouah und umarmten sich zum zweitenmal.
    Der Kaffee war vergessen.
    Sie verführten sich gegenseitig beim Licht einer einzelnen Kerze. Es war sehr spät, als Stapen die Augen öffnete und das Mädchen mit dem schneeweißen Haar ansah.
    Als das flackernde Kerzenlicht auf ihren schlanken Körper fiel, der sich unruhig unter den Liebkosungen seiner Hände bewegte, merkte Stapen, daß die Linien und Streifen keine Schminke waren. Sie stellten das Ergebnis einer Mutation der Pigmentzellen dar.
    Im Schein der flackernden Kerze sah Adagia, daß sein Körper nur an einer Stelle gezeichnet war.

 
4.
     
    Stapen lag auf dem Rücken. Der Kopf des Mädchens ruhte in seiner Armbeuge. Der Rauch der Zigarette zerfaserte mit dem Rußfaden der Kerzenflamme zusammen. Stapen versuchte, seine fliegenden Nerven zu beruhigen und sich den Anschein zu geben, als wäre er nur glücklich erschöpft, sonst nichts weiter.
     
    Die Leute von Baudelaire hatten »saubere« und »schmutzige« Nuklearwaffen verwendet. Niemand wußte, wer sie ihnen verkauft hatte. Bei ihrem Überfall hatte die ungeheure Hitze auf großen Teilen der Oberfläche das Land buchstäblich mit einer Schicht Glas überzogen. Künstliche Lava war erzeugt worden. Das Leben starb – die Pflanzen, die Tiere und schließlich auch die Menschen. Sie waren überrascht worden, wenigstens die meisten. Es hatte einige Millionen Tote gegeben; zum Glück, falls dieser Ausdruck berechtigt war, handelte es sich bei Cythera Minor um eine neubesiedelte Welt, deren Population noch nicht nach Milliarden zählte.
    Die Schäden der heißen, sauberen Bomben waren verheerend. Aber sie zeigten keine Sekundärwirkung, sah man von den Aschewolken ab, die monatelang das Licht der Sonne verdunkelten.
    Die wenigen schmutzigen Bomben aber wirkten durch ihre Strahlung

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